Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

304 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. 8 91. 
  
gewisser Zonen Gebrauch gemacht, indem die Kontrahenten sich gegenseitig 
verpflichten, gewisse Gebiete nicht zu okkupieren. Dies geschah seitens 
Deutschlands, Englands und der Vereinigten Staaten bezüglich der Samoa- 
Inseln. 
Abgrenzungsverträge wurden geschlossen zwischen Deutschland und Por- 
tugal für Ostafrika (30. Dezember 1886), Deutschland und England für Ost- 
afrika und Zanzibar (1. November 1886, 1. Juli 1890) und für Centralafrika 
(15. November 1893), zwischen Frankreich und dem Kongostaat (Talweg 
des Ubangi — 22. November 1885 und 20. April 1887), zwischen England und 
Italien für das östliche Afrika (24. März und 15. April 1891), zwischen dem 
Kongostaat und Portugal (25. Mai 1891), zwischen Frankreich und Portugal 
für Guinea und den Kongo (12. Mai 1886), zwischen Deutschland und Frank- 
reich für das Gebiet am Golf von Guinea (4. Febr. 1894), zwischen Deutschland 
und Frankreich für das Gebiet am Tschad-See (4. Febr. 1894), zwischen 
England und Portugal für das südliche Zentralafrika (11. Juni 1891). 
$ 91. Die Staatsgrenzen !). I. Die Bedeutung des Staatsgebiets als 
realer Grundlage des Staates und Objekts der Staatsgewalt erfordert mit Not- 
wendigkeit die objektive Bestimmtheit des Umfanges des Staatsgebiets als 
ausschließlichen Herrschaftsgebiets einer bestimmten Staatsgewalt. Diese 
objektive Bestimmtheit des Umfanges des Staatsgebiets wird durch dessen 
Grenzen hergestellt. In völkerrechtlicher Beziehung sind Grenzen jene Linien, 
welche den territorialen Umfang der Herrschaft der einzelnen Staatsgewalt 
gegenüber jener dritter Staaten bestimmt bezeichnen. Man unterscheidet 
natürliche oder physische und künstliche oder konventionelle 
Grenzen. Außer dem Bereiche des Völkerrechts liegt die publizistische Dis- 
kussion über natürliche Grenzen, welche durch nationale oder ethnographische, 
ökonomische, soziale, auch wohl geographische Momente bestimmt sind und 
als Grundlage für Aspirationen politischen Inhalts hingestellt werden. Alle 
diese Umstände haben eine Bedeutung für die Neuregelung der Grenzen, weil 
es in politischer Hinsicht wünschenswert erscheint, daß der Staat auch bezüg- 
lich seiner sachlichen und persönlichen Grundlagen ein möglichst einheit- 
liches Ganze bilde. Wollte man aber diesen Momenten bezüglich der Regelung 
internationaler Verhältnisse eine allgemeine und eventuell durchgreifende Be- 
deutung beimessen, so wäre damit aller Art von Willkür eine freie Bahn 
eröffnet, zumal ja ein objektiver Maßstab für eine unanfechtbare Feststellung 
jener Momente fellt. Es wird daher auch bei neuerlichen Grenzregulierungen 
eine Würdigung jener Momente nicht im ganzen, sondern nur in einem engen 
Kreise stattfinden können 2). 
1) Grotius II, e. 8, $ 18; v. Holtzendorff, HH IIS: 232 ff.; Bluntschli, Völker- 
recht‘ 88 292—296; Heffter-Geffeken $ 66; Hartmann $8. 165 ff.; F. v. Martens I 
S. 345 ff.; Gareis $ 19; v. Liszt $ 9; Rivier, Principes I, $ 11; v. Inama- Sterneggia 
der Ztschr. f. d. ges. Staatswissenschaft XXV, XXVJ; Hall, & 38; Westlake I, 144 q.; 
Travers Twiss, I, &$ 147, 148; Oppenheim I $ 198 sq.; Pradier-Fod6r& II, p. 759 89; 
Bonufils p. 456 sq.; Nys I, 413 sq.; Fiore II, p. 799 sq. 
2) Art. 6 der Friedenspräliminarien von San Stefano (1878) suchte bei der Feststellung 
der Grenzen die Nationalität zu berücksiehtigen. 
 
	        
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