Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

314 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. g a6, 
  
auch für die Beziehungen des Okkupanten zu dritten Staaten bedeutsamer 
Tatbestand; soll dieser Tatbestand rechtliche Wirkung gegenüber dritten 
Staaten äußern, so müssen bezüglich des Okkupationsaktes gewisse Bedin- 
gungen erfüllt sein. Fehlt ein gültiger Okkupationsakt, so kann das betreffende 
Gebiet von jedem anderen zur Gebietsokkupation berechtigten Subjekt in 
Besitz genommen werden. Im Zeitalter der Entdeckungen begnügte man sich 
mit einer bloß fiktiven Okkupation; den Handlungen, welche zur Bekundung 
der Absicht, an dem entdeckten Gebiete eine dauernde Herrschaft zu begrün- 
den, vorgenommen wurden, folgten vielfach keine diese Absicht realisierenden 
Akte!). Dagegen ist die Doktrin schon frühzeitig von der richtigen Ansicht 
ausgegangen, daß der auf Erwerb der Gebietshoheit gerichtete Wille in Hand- 
lungen betätigt sein muß, welche die auf Dauer gerichtete Ausübung der 
Staatsgewalt zum Ausdruck bringen. Hiernach müssen Handlungen, welche 
als Akte effektiver Okkupation in Betracht kommen sollen, wesentlich eine 
Beziehung zur Begründung und dauernden Erhaltung der Staatsherrschaft 
aufweisen; dahin gehört die Organisierung und Einsetzung staatlicher Be- 
hörden für die Regierung, Rechtspflege und Verwaltung. Mittel der Sicherung 
einer dauernden Herrschaft, wie Küstenbefestigung, Bau von Festungen, An- 
legung von Straßen und Einrichtung von Kommunikationsmitteln überhaupt 
kommen gleichfalls als Momente effektiver Besitznahme in Betracht. Das 
Hissen der Flagge usw. genügt nicht. Expeditionen zu wissenschaftlichen 
oder Missionszwecken sind keine Okkupationsakte. — Den Grundsatz der 
Effektivität der Besitzergreifung hat die Berliner Kongokonferenz anerkannt 
und zum Vertragsrecht erhoben. Der Wert der Bestimmungen der Artt. 34, 35 
der Kongoakte für die Weiterbildung der vorliegenden Materie ist schon in 
anderem Zusammenhange betont worden. Der Grundsatz der Effektivität 
findet in der Kongoakte eine Weiterbildung durch die Schaffung einer neuen 
Garantie der Tatsächlichkeit der Besitzergreifung, nämlich durch die Forderung 
der Publizität des Okkupationsaktes. Die Okkupation muß den 
übrigen Signatarmächten notifiziert werden; sie ist Voraussetzung der 
Gültigkeit des Okkupationsaktes; die Besitzergreifung allein bewirkt nicht die 
Begründung der Gebietshoheit?2). Die Notifikation wird in der Regel der Be- 
sitzergreifung voraufgehen. Eine Frist zur Erfüllung der Notifikationspflicht 
ist nicht normiert; die Notifikation hat eben in angemessener Zeit: zu erfolgen. 
$ 96. 4. Wirkung der Okkupation. Die rechtliche Wirkung der 
Okkupation ist der Erwerb der Hoheit über das in Besitz genommene Gebiet. 
1) Gleichwohl protestierte noch in neuester Zeit Portugal gegen die Erwerbungen der 
Kongogesellschaft, und Spanien berief sich im Karolinen-Streitfalle auf sein Entdeckungsrecht. 
Anläßlich der Okkupation von Massauah (1888) entstand zwischeu Italien einerseits und der 
Türkei und Egypten anderseits die Streitfrage, ob die letzteren der von Italien eingeleiteten 
Okkupation durch eine zeitlich voraufgehende effektive Okkupation zuvorgekommen waren. 
An die Entdeckung als solche (allerdings mit einigen Modifikationen) knüpfen noch heute 
englische Schriftsteller (Twiss, Law of nations $$ 110 sq. und R XV p. 562 und Philli- 
morc, Comment. $$ 226 sq.) an. 
2) Ebensowenig begründet der Abschluß eines Protektoratsvertrages ohne nachfolgende 
Notifikation die Schutzherrschaft.
	        
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