322 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. $ 99.
wärtigen Staates kann die dem Einzelstaat durch das von der Bundesgewalt
zu wahrende Interesse an der Integrität des Bundesgebietes gezogene Grenze
einhalten; die Bestellung der Servitut wird daher rechtswirksam sein.!) Ferner
können Einzelstaaten sich gegenseitig Servitutenrechte einräumen.
IV. Gegenstand der Staatsservituten sind Gebietshoheitsrechte. Als Be-
schränkungen der Gebietshoheit können Servitutenrechte auch das Wasser-
gebiet eines Staates — insbesondere dessen Küstengewässer — zum Gegen-
stande haben. Dagegen können an dem offenen Meere zufolge des Prinzips
der Meeresfreiheit keine Staatsservituten bestellt werden.?2) Verträge der
beteiligten Staaten über die von ihren Angehörigen gegenseitig zu beobachtenden
Grenzen der Ausübung des Fischereigewerbes begründen nur obligatorische
Verhältnisse. Telegraphenkabel am Meeresgrunde stehen unter dem Schutze
des Verkehrsrechts.3) — Privatrechte, welche einem fremden Staate in
einem Territorium zustehen, z. B. Eigentum an Waldungen und dergleichen,
sind keine Staatsservituten, sondern einfache Privatrechte, deren Schutz und
Geltendmachung nach der Gesetzgebung und durch die Justizgewalt des Staates
erfolgen, in dessen Gebiet das Objekt des Privatrechts belegen ist. Ebenso
sind vertragsmäßige Versprechen von gewissen Lieferungen, wie z. B. von Salz
aus den Staatssalinen, keine Staatsservituten, sondern rein obligatorische Ver-
hältnisse. Anders wenn der berechtigte Staat bezüglich des Objekts sein eigenes
Gesetzgebungs-, Jurisdiktions- bezw. Polizeirecht auszutben befugt ist, ibm
also bezüglich einer in fremdem Gebiete belegenen Sache wirkliche Hoheits-
rechte zustehen. ®)
V. Das Staatsdienstbarkeits-Verhältnis kann nur unter unabhängigen
Staaten begründet werden und bewirkt eine Beschränkung der Gebietshoheit
des belasteten Staates. — Die Staatsservituten entstehen immer nur auf Grund
eines speziellen Titels, nämlich durch Vertrag. Unvordenklicher Besitzstand
hat auch hier nur die Bedeutung einer praesumtio tituli. — Ihrem Inhalte nach
bestehen die Staatsdienstbarkeiten in einem pati, indem der berechtigte Staat
auf dem Gebiete des belasteten Akte der Gebietshoheit kraft eigener Befugnis
und unabhängig von dem belasteten Staate vornehmen darf; oder in einem non
facere, indem der belastete Staat zu Gunsten des berechtigten Akte der Gebiets-
1) Bezüglich des Deutschen Reichs herrscht Meinungsverschiedenheit. Nach Laband
(Staatsrecht I 186), Pröbst (der Abschluß völkerrechtlicher Verträge durch das Deutsche
Reich 248ff.) kann die Bestellung von Staatsservituten für das Bundesgebiet und jeden Teil
desselben nur vom Reiche gewährt werden. Dagegen ist nach G. Meyer, Lehrbuch 199 die
Kompetenz der Einzelstaaten zur Bestellung von Staatsservituten nicht ausgeschlossen. Ebense.
Trieps, Das Deutsche Reich und die Bundesstaaten usw. 148; Hänel, Staatsrecht I 557.
Clauß 156 ff.
2) Anders insbesondere der Standpunkt Englands. Zur Zeit der Stuarts kam die Frage
zu theoretischer Erörterung, indem Karl I. gegen die Schrift des Grotius: Mare liberum, seu
de jure quod Batavis competit ad indica Commercia (1609, 2. Ausg. 1616) eine Gegenschrift
veranlaßte: Selden, Marc clausum (1635), wo die Okkupationsfähigkeit des offenen Mceres
verteidigt wurde. Denselben Standpunkt nahm Cromwell in der von ihm am 9. Oktober
1651 erlassenen Navigationsakte ein. 3) Vgl.v. Holtzendorff, HH DS. 248.
4) Vgl. Anschütz Archiv f. zivilist. Pr. Bd. 50, 18Sff., ClauB 167, 168.