Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 99, Beschränkungen der Gebietshoheit. Staatsservituten. 323 
  
  
hoheit auf seinem Gebiete unterläßt. Dagegen gehören positive Leistungen 
(das facere) den Obligationen an. — Mit Rücksicht auf ihren Inhalt bezw. 
Zweck lassen sich die Staatsdienstbarkeiten vornehmlich in zwei Klassen 
sondern: militärische und wirtschaftliche Staatsdienstbarkeiten. Die 
Anlässe zur Begründung von Staatsdienstbarkeiten der ersteren Art vermindern 
sich in der Neuzeit in dem Maße, als die Staaten zur Wahrung ihrer Souveränetät 
jede Beschränkung ihrer militärischen Aktionsfreiheit zu Defensiv- und Offensiv- 
zwecken zu vermeiden suchen. Dagegen bringt die dem heutigen Völkerverkehr 
eigentümliche Betonung der internationalen Wohlfahrtspflege eine größere 
Geneigtheit zur Einräumung von Beschränkungen mit sich, in denen die 
heutigen Kulturstaaten ebensoviele notwendige Bedingnngen der Wahrung und 
Pflege betreffender Interessen erblicken; die Erkenntnis der Solidarität dieser 
Interessen ist heute das mächtigste Motiv pflichtmäßiger Einräumung von Be- 
schränkungen, die vom Standpunkte der Wahrung der Souveränetät um so 
unbedenklicher erscheinen, als die hier in Frage stehenden Gewährungen durch- 
aus auf Gegenseitigkeit beruhen. — Innerhalb obiger Einteilung können weiter 
affirmative oder aktive und negative oder passive Servituten unter- 
schieden werden. Affirmative Militärdienstbarkeiten sind die Befugnis eines 
Staates, einen offenen Platz oder eine Festung in fremdem Staatsgebiete dauernd 
militärisch zu besetzen (in der früheren Zeit auch unter dem sogen. Öffnungs- 
rechte, jus aperturae mitbegriffen), das Rechıt einer Militärstraße durch fremdes 
Staatsgebiet (droit d’&tappe), ’) die Verpflichtung, Kriegsschiffe in einem Hafen 
zuzulassen; 2) negative Staatsservituten sind die Nichtbefestigung gewisser 
Grenzgegenden, °) die Neutralisierung von Gebietsteilen. Affirmative wirtschaft- 
liche Servituten sind außer den älteren Weggerechtigkeiten die Fischerei- 
rechte, *) Forstnutzungsrechte, heute insbesondere die Eisenbahn-,®) Post- und 
Telegraphenservituten, die Kanalservituten.9” — Die Staatsdienstbarkeiten 
werden aufgehoben durch liberatorischen Vertrag zwischen dem berechtigten 
und belasteten Staate, durch Verzicht des berechtigten Staates, durch Konso- 
lidation (im Wege der Inkorporation, nicht durch Personalunion). Herrschafts- 
wechsel oder eine Veränderung der internationalen Stellung des belasteten 
Staates (z. B. Erwerb der vollen Souveränetät seitens eines bisher halb- 
souveränen Staates) haben keinen Einfluß auf die Fortdauer einer realen 
  
1) Art.31 der Wiener Kongreßakte betr. das preußische Heerstraßenrecht durch Hannover. 
Ein anderes Beispiel bietet das schweizerische Handels- und Heerstraßenrecht durch Chablais. 
2) Ein Beispiel einer militärischen Staatsdienstbarkeit ist auch die Alleinberechtigung 
Rußlands, das kaspische Meer mit Kriegsschiffen zu befahren. 
3) Beispiele: Art. 13 und 33 des Pariser Vertrags vom Jahre 1856; Art. 11, 29, 52 der 
Berliner Kongreßakte vom Jahre 1878 (Schleifung der bulgarischen Festungen, Nichtanlage 
von Befestigungen an der Bojana, Schleifung der Festungen usw. an der Donau vom Eisernen 
Tore ab bis zu den Mündungen). 
4), Beispiel: Die Fischereirechte der Franzosen an der Küste von Neufoundiand. Näheres 
bei Clauß 17ff. und 2U1ff. 5) Vgl. Meili, HH IlL 263ff. 
6) Als Beispiel einer negativen wirtschaftlichen Staatsdienstbarkeit aus der Zeit des 
alten Deutschen Reichs führt Clauß 191 dıe Verpflichtung eines Staates an, in dem Umkreis 
einer Stadt des benachbarten Staates keine Messe abhalten zu lassen. 
21*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.