Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

326 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. $ 102. 
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klärung im Sinne der freien Benutzung der offenen See. England selbst 
hielt allerdings auch an der Herrschaft bestimmter Teile des offenen Meeres 
fest, negierte aber nicht die Freiheit der Schiffahrt fremder Flaggen, be- 
anspruchte jedoch als Zeichen der Anerkennung der britischen Oberhoheit die 
Beobachtung bestimmter Regeln des Seezeremoniells; so noch die British 
Admiralty Regulatives von 1805. Sonst kamen die Ansprüche der Mächte 
noch zum Ausdruck in der Erhebung von Gebühren von fremden Schiffen, in 
dem Verbot des Fischfanges durch fremde Staatsangehörige und in der Kon- 
trolle der fremden Schiffahrt. Allmählich erschienen die Prätensionen einzelner 
Staaten als eine offene Auflehnung gegen anerkannte Grundlagen einer fried- 
lichen Koexistenz gleichberechtigter Staaten. Im (Gegensatze zu der die Frei- 
heit des offenen Meeres verteidigenden Schrift des Grotius!) fanden sich 
Verteidiger jener Prätensionen: so traten außer anderen Schriftstellern ins- 
besondere John Selden (1618, gedruckt erst 1635) in seiner Schrift „Mare 
clausum“, William Welwod (De dominio maris, 1613) und J. Borough 
(Imperium maris britanniei etc., 1653) für die englischen, Albericus Gentilis 
(Advocatio hispanica, 1613) für die spanischen, Paolo Sarpi (Del dominio 
del mare Adriatico, 1676) für die venetianischen Prätensionen ein. Im Sinne 
dieser Prätensionen wurden z. B. von England den Niederlanden gegenüber 
Ansprüche auf die Beobachtung eines jene Prätensionen anerkennenden See- 
zeremoniells in Verträgen (noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, 
namentlich in einem Vertrage von 1674) durchgesetzt. Der richtige Stand- 
punkt kam im Laufe des 18. Jahrhunderts in der vertragsmäßigen Regelung 
des Seezeremoniells auf der Grundlage der Gleichheit der Staaten und in dem 
einheitlichen Verfahren der neutralen Mächte gegen die Übergriffe Englands 
zur See zu praktischem Ausdruck. In der Literatur traten namentlich 
Bynkershoek (De dominio maris, 1702), später Vattel, J.G. v. Martens 
und Azuni (1796) eindringlich für die Freiheit des Meeres ein. Heute findet 
das Prinzip der Meeresfreiheit in der Staatenpraxis seine volle Sanktion: das 
offene Meer ist nicht Objekt von Besitz, Eigentum und Imperium, weil 
eine gesicherte und regelmäßige Einwirkung auf das offene Meer unmöglich ist. 
$ 102. Rechtlich bedeutsame Wirkungen der Meeresfreiheit. IL Der 
praktische Wert der Meeresfreiheit für jene Interessen, die hier überhaupt in 
Frage kommen können, äußert sich in den Konsequenzen der rechtlichen 
Unmöglichkeit desImperiums eines einzelnen Staates. Demzufolge kann 
kein Staat auf offenem Meere fremden Schiffen gegenüber Akte der Juris- 
diktion oder Verwaltung vornehmen; dagegen können fremde Schiffe 
von den Organen des Uferstaates wegen rechtswidriger Handlungen, die in 
seinem Eigengewässer begangen wurden, in die hohe See verfolgt werden 
(Recht der Nacheile). Ferner können sich einzelne Mächte gegenseitig 
durch Vertrag gewisse Rechte im Interesse der Ausübung der Seepolizei 
einräumen, u. zw. das Anhaltungsrecht, das Recht, die Schiffspapiere zu 
prüfen, das Durchsuchungsrecht und das Recht der Beschlagnahme. Ferner 
  
1) Mare liberum seu de jure quod Batavis competit ad indiea commereia (1609 anonym, 
1616 unter dem Namen des Autors erschienen).
	        
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