$ 102. Rechtlich bedeutsame Wirkungen der Meeresfreiheit. 327
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bringt der mit dem Ausbruch eines Seekrieges gegebene Ausnahmezustand
gewisse Modifikationen der Meeresfreiheit mit sich, die in gewohnheitsrechtlich
und durch Verträge anerkannten Rechten der Kriegführenden gegenüber den
Neutralen bestehen. Liegen diese Modifikationen der Meeresfreiheit im Interesse
der Kriegführenden, so erfährt hinwieder die freie Betätigung der Seestreitkräfte
auf offenem Meere eine Beschränkung im Interesse der freien Benutzung der
offenen See seitens der am Kriege nicht Beteiligten oder im Hinblick auf
wichtige politische Interessen durch die internationale Maßregel der Neutra-
lisierung betreffender Meeresteile (schwarzes Meer 1856—1871) oder wichtiger
Verbindungsstraßen (Suezkanal). — Soweit rechtswidrige Angriffe auf offener
See nicht zur Selbsthilfe nötigen, bilden derlei Vorfälle nach der neueren
Praxis den Gegenstand friedlicher Austragung durch die Staaten, unter deren
Flagge die Schiffe fahren.
I. Die Sicherheit der freien und ungehinderten Benutzung
des offenen Meeres ist durch eine die Gleichheit der hier in
Frage stehenden Interessen gewährleistende Ordnung bedingt.
Diese Ordnung beruht auf völkerrechtlicher Übung und Landesgesetzen. Die
Grundlage dieser Ordnung bildet die Fortdauer der rechtlichen Subjektion
der auf offener See verkehrenden Personen und Fahrzeuge gegenüber der
Staatsgewalt eines bestimmten Staates. Damit hängt die durchgreifende For-
derung zusammen, 1. daß jedes Schiff eine bestimmte Nationalität
haben muß; diese ist durch die Landesgesetzgebung geregelt. Kein
Schiff darf eine fremde Flagge ohne Erlaubnis des betreffenden Staates führen;
kein Staat kann einem Schiffe, das unter fremder Flagge fährt, den Gebrauch
seiner eigenen Flagge gestatten. Ferner kann ein Schiff, das die Flaggen
verschiedener Staaten führt, keinen Anspruch auf Schutz erheben; ebenso ein
Schiff, das die Flagge eines Staates führt, der keine eigene Seeflagge besitzt.
2. Jedes Schiff muß die landesgesetzlich vorgeschriebenen Schiffspapiere
führen !); sie bilden das Mittel des Beweises seiner Nationalität. 3. Die Privat-
schiffe jedes Seestaats sind registriert und müssen einen Namen (sichtbar)
führen, um ihre Identität auch auf Distanz feststellen zu können. Jede Namens-
änderung muß auf Grund neuer Registrierung erfolgen. Derzeit führen nur
Seestaaten eine Seeflagge. Schiffe von Angehörigen der Binnenstaaten müssen
die Erlaubnis zur Führung einer Flagge seitens einer Seemacht erwirken. Die
Seestaaten haben in der Regel eine besondere Kriegs- und Handelsflagge.
Durch internationales Abkommen kann indessen einem Staate das Recht, eine
eigene Kriegsflagge zu führen, versagt sein, womit ihm gleichzeitig der Besitz
einer Kriegsflotte untersagt ist; dies ist der Fall bezüglich Montenegro's
auf Grund des Art. 29 des Berliner Vertrags vom Jahre 18782).
6) Die landesgesctzlichen Vorschriften normieren diesen Gegenstand in verschiedener
Weise. Vgl. Holland, Manual of Naval Prize Law $$ 178 sq, wo die von den verschiedenen
Seestaaten geforderten Schiffspapiere aufgezählt sind.
5) Art. 29, Abs. 5: „Montenegro darf weder Kriegsschiffe besitzen, noch eine
Kriegsflagge führen“. Anderseits bestimmt aber Abs. 6 dess. Art.: „Der Hafen von An-
tivari und alle Montenegro gehörenden Gewässer sollen den Kriegsschiffon aller Nationen
verschlossen bleiben“.