Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

334 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. $ 105. 
  
nutzbarkeit der internationalen Flüsse zu Verkehrszwecken seitens aller Na- 
tionen. In diesem Sinne bezeichnet der Pariser Vertrag vom 30. Mai 1814 
die Aufgabe des künftigen Kongresses. Die Anerkennung des Grundsatzes 
der Freiheit der internationalen Flußschiffahrt wurde in den letzten Jahren 
des 18. Jahrhunderts bezüglich einiger der wichtigsten Ströme durch konven- 
tionelle Normierung !) der Freiheit der Schiffahrt für die Angehörigen der 
Uferstaaten vorbereitet?,); das hier in Frage stehende gemeinsame Inter- 
esse fand mindestens in diesem beschränkten Umfange formelle Anerkennung. 
Darin lag schon ein bedeutsamer Fortschritt gegenüber den verschiedenartigen 
Belästigungen des Verkehrs durch die Einhebung von Zöllen und anderen 
Abgaben, durch Zwangslandungen usw. und sonstige im fiskalischen Interesse 
herrschende Maßregeln®). In dieser Zeit war die Flußschiffahrt durchaus von 
den Interessen der Uferstaaten und der egoistischen Geltendmachung der 
Territorialhoheit beherrscht; die Konsequenzen der Existenz der internationalen 
Gemeinschaft, die Notwendigkeit der Beschränkung der eigenen Souveränetät 
zum Zwecke der Förderung gemeinsamer Interessen hatte bezüglich dieses 
Gegenstandes noch keinerlei Anerkennung gefunden. Der im Pariser Vertrag 
vom Jahre 1814 ausgesprochene Grundsatz brachte die gemeinschaftliche 
Rechtsüberzeugung der zivilisierten Staaten zum Ausdruck und führte auf dem 
Wiener Kongreß zur Formulierung einer Reihe von Verpflichtungen der be- 
teiligten Staaten, welche das Mindestmaß der Leistungen betreffen, durch die 
jener Grundsatz praktische Geltung erlangen sollte Es handelte sich dabei 
im Hinblick auf das allgemeine Interesse aller Völker an einem freien Verkehr 
um die Regelung einer eminent internationalen Angelegenheit; die Beschlüsse 
des Kongresses verpflichten daher die Signatarmächte, für die praktische 
Geltung des Grundsatzes zu sorgen. Dem entsprach auch die Praxis ®). 
II. Die Beschlüsse des Wiener Kongresses) sind in den Artt. 108—117 
der Kongreßakte enthalten; hiernach haben die Uferstaaten die auf die Schiff- 
fahrt bezüglichen Verhältnisse durch Übereinkommen zu regeln; die Schiffahrt 
auf allen Strömen und Flüssen, welche während ihres schiffbaren Laufes 
mehrere Staaten trennen oder durchschneiden, bis zu ihrer Mündung in das 
Meer wird für vollständig frei erklärt; sie kann bezüglich des Handels nie- 
mandem untersagt werden. Der Ausübung der Souveränetät der Uferstaaten 
ist durch die anerkannte Freiheit der Schiffahrt eine Grenze gezogen, insofern 
keine Stapel- und Zwangsumladeplätze mehr errichtet und die bestehenden 
nur soweit sie dem Handel und der Schiffahrt nützlich sind, erhalten werden 
nn 
  
1) So stipuliert der Haager Vertrag vom 16. Mai 1795 zwischen Frankreich und der 
batavischen Republik für die Schiffe der Kontrahenten die Freiheit der Schiffahrt auf dem 
Rhein, der Mosel, der Scheide und den Nebenflüssen. Näheres bei Caratheodory, HH ll 
S. 294 ff. 
2) In Amerika wurde durch den Pariser Vertrag vom Jahre 1783 den Angehörigen 
der Vereinigten Staaten und Englands die Schiffahrt auf dem Mississippi freigegeben. 
3) Vgl. über die älteren Zustände in Europa die oben zitierten Arbeiten von Cara- 
theodory und Engelhardt. Vergl. auch v. Kaltenborn s. v. „Schiffahrtsgesetze“ in 
Bluntschli’s Staatswörterbuch. 4) Vgl. Caratheodory, HH II S. 298 (Anm. 10). 
5) Bei Fleischmann 5 ff.
	        
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