Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

336 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse ete. $ 105. 
  
lich außer dem Grundsatz der Freiheit der Schiffahrt auf den internationalen 
Flüssen auch bestimmt, daß alle die Schiffahrt betreffenden Verhältnisse (Hand- 
habung der Polizei, Einhebung der Abgaben usw.) nach einem einheitlichen 
System von den Uferstaaten durch konventionelle Reglements zu ordnen 
seien. Hiernach sollte das mit den internationalen Flüssen verknüpfte all- 
gemeine Interesse auf Grund von Vereinbarungen durch die gemeinsame Wirk- 
samkeit der zunächst beteiligten Staaten — der Uferstaaten — Befriedigung 
finden. Es handelte sich das erste Mal um die Schaffung internationaler Ver- 
waltungsvereine zur Pflege eines wichtigen internationalen Interesses. Dabei 
ist aber zu beachten, daß nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses 
trotz der Allgemeinheit des internationalen Interesses die betreffende inter- 
nationale Organisation doch nur beschränkt blieb auf die Uferstaaten, während 
die Nichtuferstaaten, deren Interesse an der freien Schiffahrt durch die Aus- 
führung der Kongreßbeschlüsse doch auch volle Befriedigung finden sollte. 
keine rechtlich normierte Ingerenz auf die Regelung der Schiffahrtsverhältnisse 
besassen. Der Pariser Vertrag und die Kongoakte schufen dagegen außerdem 
internationale, von den Uferstaaten unabhängige Organe: jener 
die europäische Donaukommission (Art. 16), diese die internationale Kongo- 
kommission (Artt. 17, 20 ff) 1). Die Schaffung eines solchen internationalen 
Organs als Ersatz der Autorität der Uferstaaten für Gebiete, in denen keine 
oder wenigstens nicht eine den Anforderungen eines zivilisierten Staates ent- 
sprechende Autorität besteht, wie dies bezüglich des Kongo der Fall ist, wird 
allseitig als rechtlich }zulässig und notwendig erkannt. Ebenso wurde die 
europäische Donaukommision, weil ursprünglich nur für eine bestimmte Zeit 
(zwei Jahre) und für eine bestimmte Aufgabe (die Beseitigung der Hindernisse 
der Schiffahrt in den Donaumündungen) eingesetzt, nicht beanstandet, da es 
sich hier um eine Aufgabe handelt, deren Lösung den Uferstaaten (aus finanziellen 
Gründen) füglich nicht auferlegt werden konnte. Dagegen erblickte man in 
der seit dem Jahre 1856 in einer Reihe internationaler Verträge vollzogenen 
weiteren Regelung der Donauangelegenheiten eine Abweichung von den Grund- 
sätzen des Wiener Kongresses, insofern die Wirksamkeit der europäischen 
Donaukommission wiederholt auf weitere Fristen ausgedehnt wurde, so daß sie 
derzeit nahezu als permanente Kommission fungiert; außerdem seien ihr Kon- 
petenzen eingeräumt worden, welche die Souveränetät der Uferstaaten schmälern, 
während die Beschlüsse des Wiener Kongresses die Souveränetät der Ufer- 
staaten nicht berühren, insofern dem Übereinkommen dieser Staaten die 
  
1) Für den Niger wurde infolge Widerspruchs seitens Großbritanniens von einer ana- 
logen Institution abgesehen. Motiviert wurdo dieser Vorgang allerdings durch die geographi- 
schen, kommerziellen und politischen Verhältnisse, welche angeblich eine verschiedene Rege- 
lung der Schiffahrt auf dem Niger und Kongo rechtfertigen. So blieb die Ausführung der 
Niger-Schiffahrtsakte und die Wahrung des Prinzips der Freiheit der Schiffahrt auf dem Niger 
dem Übereinkommen der Uferstaaten — Frankreich und Großbritannien — vorbehalten und 
ist damit dem in Art. 108 der Wiener Kongreßakte formulierten Grundsatz entsprochen. — 
Über die verschiedene Behandlung des Kongo und Niger bezüglich der Neutralisierung und 
der damit zusammenhängenden Frage des freien Zutritts von Kriegsschiffen in den Niger 
siche Duchäöne, Le droit de navigation dans le Niger in der RG II 439 aq.
	        
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