338 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. $ 105.
nationaler Flüsse nur als eine exzeptionelle Einrichtung angesehen werden ').
— Indessen, die prinzipiell wichtige Frage kann nicht übersehen werden, ob
der Standpunkt des Wiener Kongresses dem hier in Frage stehenden inter-
nationalen Interesse die unter allen Umständen hinreichenden internationalen
Mittel in den Kommissionen der Uferstaaten zur Verfügung gestellt hat,
oder ob die Ansätze einer Weiterbildung dieser Mittel, die in dem Pariser
Vertrage von 1856 und in den Verträgen von 1878 (Berlin), 1883 (London)
und 1885 (Kongoakte) enthalten sind, Beachtung beanspruchen. Ersteres dürfte
zu verneinen sein im Hinblick auf die praktischen Bedürfnisse, welche bei der
Regelung der Verhältnisse an der unteren Donau und am Kongo hervortraten;
für letzteres sprechen aber zugleich allgemeine, aus der eminent internationalen
Natur des Gegenstandes und aus der Bedeutung der internationalen Gemein-
schaft für die Regelung internationaler Interessen sich ergebende Gründe.
Jedenfalls sollte überall ein erhöhter Schutz der Freiheit der Flußschiffahrt,
wo er sich voraussichtlich als nötig herausstellt, durch betreffende von den
unmittelbar beteiligten Staaten unabhängige Organe zur Verfügung stehen.
Einen Beleg hiefür bietet vielleicht gerade das Verhalten einzelner Uferstaaten
gegenüber den Beschlüssen des Wiener Kongresses 2).
1904; die Kiliamündung, soweit deren Ufer demselben Staate gehören, ist der Kontrolle der
europäischen Kommission entzogen und jener der beiden Uferstaaten Rußland und Rumänien
unterstellt, die gemischten Teile der Stromstrecke stehen unter der Kontrolle des russischen
und rumänischen Delegierten in der europäischen Kommission. Die Aufsicht über die Strecke
vom eisernen Tor bis Braila wurde einer gemischten Kommission (im Sinne des Bar-
röre’schen Antrages) übertragen. Diese Kommission ist keine definitive Institution, wie
denn überhaupt durch den Londoner Vertrag die politisch komplizierte Donaufrage nicht end-
gültig gelöst werden sollte. Gleichwohl beharrte Rumänien in seiner ablehnenden Haltung
auch gegenüber dem Vertrage und zwar wegen angeblicher Verletzungen der Beschlüsse des
Wiener Kongresses und des seither in Geltung getretenen internationalen Flußschiffahrtsrechtes.
Literatur über diese Streitfrage bei v. Holtzendorff, Rumäniens Uferrechte an der Donau;
Dahn, Eine Lanze für Rumänien; Geffcken, La question de Danube (1883); Catellani,
La navigazione fluviale e la questione del Danubio ete.; Engelhardt in der Revue de dr.
intern. XV p.5 sq., 340 sq.; XVI p. 360 sq.; v. Bunsen, ebenda p.551 sq.; für die Beschlüsse
der Konferenz insb. Jellinek, Donaufrage: Strisower in Grünhut’s Zeitschr. XI 684 ff.;
Carath&odory, HH U 347 ff.; Bunsen, La question du Danube in R XVI, 551 sq.
1) Anknüpfend an die Entwicklung der Donaufrage seit dem Pariser Frieden durch
den Berliner Kongreß 1878 und die Londoner Konferenz 1883 und an die Konflikte, die in-
folge der Beschlüsse dieser Konferenz hervorgetreten sind, hatte F. v. Martens im Sinne
der oben angeführten Einwendungen gegen den Standpunkt der Mächte in der Donaufrage
die Frage der Regelung der Verhältnisse der internationalen Flüsse vor das Forum des In-
stituts für intern. Recht gebracht (siehe Dessen Bericht im Annuaire VIII p. 273sq.) Nach
v. Martens steht nur jene Regelung der Schiffahrtsverhältnisse auf internationalen Flüssen
im Einklang mit dem heutigen Völkerrecht, insbesondere mit der Gestaltung der internatio-
nalen Verwaltungsvereine, welche auf Vereinbarungen der Üferstaaten beruht. Das Institut
Icgte in der Verhandlung (Session Heidelberg 1588) seinen Beratungen den v. Martens aus-
gearbeiteten Entwurf einer Konvention zu Grunde (siehe Annuaire IX 167) — unter Berück-
sichtigung eines analogen Entwurfs von Engelhardt (Annuaire IX 156 sq.). Die Beschlüsse
(Projet de reglement international de navigation fluviale — in 40 Artikeln) entsprechen dem
v. Martens’schen Entwurf (l. @. S. 182 ff.)
2) In den Beratungen des Instituts f. intern. Recht wurde der obige Standpunkt von
dem Grafen Kamarovsky vertreten (Annuaire IX p. 166). Kamarovsky spricht sich daher