$ 111 Erwerb der Staatsangchörigkeit. Fortsetzung. 355
Erklärung der Absicht, Staatsangehöriger des einen oder des anderen Teils
werden zu wollen, soll in Bezielung auf keinen der beiden Teile die Wirkung
der Naturalisation haben. Im Art. II wird implicite gegenüber in Amerika
naturalisierten Deutschen auf die Verfolgung der durch die Auswanderung be-
gangenen Verletzung der Wehrpflicht verzichtet. Ähnliche Verträge wurden
im Laufe desselben Jahres mit Bayern (26. Mai), Baden (19. Juli), Württemberg
(27. Juli) und Hessen (1. August) geschlossen. Unter dem Eindruck dieser
Verträge kam es noch zum Abschluß ähnlicher Konventionen mit Mexiko
(19. Juli 1865), Belgien (16. November 1868), Schweden-Norwegen (26. Mai 1869),
Oesterreich-Ungarn (20. September 1870) und Dänemark (22. Juli 1872)!).
$ 111. Fortsetzung. a) Bedingungen des Erwerbs der Staats-
angehörigkeit durch Naturalisation. Handelt es sich um Verleihung
der Staatsangehörigkeit auf Antrag, so kommt in den Gesetzgebungen regel-
mäßig «) eine Reihe von Bedingungen in Betracht, die sich auf den Status
des Ansuchenden beziehen. Der Ansuchende muß nach den Gesetzen seines
bisherigen Heimatsstaates dispositionsfähig sein.2) Der Mangel der Dis-
positionsfähigkeit muß durch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters
(Vaters, Vormunds, Pflegers) ersetzt werden.) Der Ansuchende muß ferner
einen unbescholtenen Lebenswandel geführt haben; ferner muß er sich in solcher
ökonomischer Lage befinden, um selbständig sich und seine Angehörigen unter-
halten zu können. 3) Die Naturalisation setzt die ernste Absicht der Ein-
wanderung (effektive Niederlassung) voraus. Die effektive Niederlassung wird
indessen nicht in allen Gesetzen erfordert; einige fordern einen Aufenthalt
während eines gesetzlich bestimmten Zeitraums, Frankreich überdies eine
Autorisation zur Begründung des Domizils. 7) Der Nachweis der Entlassung
aus dem bisherigen Staatsverband wird nur in einigen Staaten gefordert, *)
ebenso der Nachweis der Erfüllung der Militärpflicht. 6) Nach den Gesetzen
der meisten Staaten wird gefordert, daß der in den Staatsverband Auf-
zunelimende eine bestimmte Zeit in dem Staatsgebiete seinen Wohnsitz gehabt
habe. Das Erfordernis zessiert in Fällen stillschweigender Verleihung durch
—— —
1) Zur Kritik der Bancroft-Verträge und bezüglich der Bedeutung ihrer Bestimmungen
für das Ges. v. J. 1670 v. Martitz, Annalen 1875, 1152. Mit v. Martitz neuestens v.Bod-
mann 2. 2.0. S. 336 mit Vorschlägen für eine Revision des deutschen Gesetzes. — Auf jene
Verträge bezicht sich $ 21 Abs. 3 d. Ges. v. J. 1870.
2) Die Frage der Dispositionsfähigkeit spielte in dem Falle Bauffremont-Bibesco eine
Rolle. (Vgl. Bluntschli, Deutsche Naturalisation einer separierten Französin 1876; v.Holtzen-
dorff, Der Rechtsfall der Fürstin Bibesco 1876 (auch in der R VIII 2u5); Stölzel, Wieder-
verheiratung eines ständig von Tisch und Bett getrennten Ehegatten, 1876; Teichmann,
Etude sur la validit6 de la naturalisation et du second mariage de Mad. la pr. B. 1876,
Arntz, Consultation sur la validit& de la naturalis. etc. 1698; A. Rolin, Mcmoire pour la
princesse Bibesco 1879. Vgl. auch neuestens v. Bodmann a. a O. 345, 346.
3ı Anders Frankreich, wo weder Minderjährige noch deren Vertreter den Antrag auf
Verleihung der Staatsangehörigkeit stellen können. Ausnahmsweise ist dies nach Art, 1
Ges. v. J. 1689 zulässig in Fällen der Reklamation der französischen Nationalität zu Gunsten
der in Frankreich geborenen Kinder von Ausländern.
4) Das deutsche Recht verlangt den Nachweis der Entlassung aus dem früheren Staats-
verbande nicht; es kann jedoch dieses Erfordernis durch Staatsvertrag aufgestellt werden.
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