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formelle Entlassung oder längerer Aufenthalt im Ausland, behördliche Ab-
erkennung den Verlust der Staatsangehörigkeit nach sich ziehen, ohne daß das
betreffende Individuum in einen anderen Staatsverband eingetreten zu sein
braucht. Ist der Verlust der Staatsangehörigkeit eingetreten (ohne Unterschied
ob durch Entlassung, auf Antrag oder durch behördlichen Ausspruch) ohne
Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit, so pflegt die Praxis der Staaten in
Übernahmeverträgen dafür zu sorgen, daß der ursprüngliche Heimatsstaat
betreffende Personen (namentlich im Falle der Verarmung) auf Verlangen des
Aufenthaltsstaats übernehme. !)
1. „Die Entlassung“ (auf Antrag) ist der contrarius actus der Ver-
leihung und in der juristischen Gestaltung ihr völlig gleichartig. Sie ist wie
die Verleihung der Staatsangehörigkeit ein Formalakt, der durch ein Nichtig-
keitsverfahren nicht annulliert werden kann. Nach deutschem Recht wird die
Entlassung unwirksam, wenn der Entlassene nicht binnen der gesetzlichen
Frist (s. 0. S. 357) seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebiets verlegt (oder
die Staatsangehörigkeit in einem anderen deutschen Einzelstaate erwirbt).
2. Der Verlust der Staatsangehörigkeit tritt als Konsequenz eines
familienrechtlichen Verhältnisses ein, so infolge der Verheiratung
und der Legitimation. 3. Der Verlust durch Aberkennung, wenn Staats-
angehörige olıne Erlaubnis ihrer Regierung (d. i. in einzelnen Staaten ohne
Erlaubnis des Landesherrn) in einen fremden Staatsdienst oder Kriegsdienst
treten oder einer ausdrücklichen Aufforderung zum Austritt aus solchem Dienste
binnen einer bestimmten Frist keine Folge leisten2). 4. Der Verlust als ge-
setzliche Folge der verwaltungsrechtlichen Ordnung der Bevölkerungsverhält-
nisse (z. B. beim Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit, Abwesenheit
während einer gesetzlich bestimmten Zeit usw... 5. Der Verlust als Folge
völkerrechtlicher Gebietsveränderungen (s. 0. S. 358).
$ 113. Rechtliche Stellung der im Auslande befindlichen Staats-
angehörigen zur Staatsgewalt ihres Heimatlandes’). I. Das publizistische
Verhältnis des Staatsangehörigen zur Staatsgewalt und die damit verknüpften
Rechte und Pflichten des Individuums und des Staats erleiden durch den Auf-
enthalt im Auslande in juristischer Beziehung keine Änderung. Der Aufenthalt
im Ausland kann die praktische Wirksamkeit der Personalhoheit des Heimat-
staats in einzelnen Fällen allerdings suspendieren, weil er einen selbständigen
1) So die sog. Gothaer Konvention vom 15. Juni 1851 zwischen den Einzelstaaten des
Deutschen Bundes, seither die Verträge des Deutschen Reichs mit Österreich-Ungarn, Italien
u. 8. w. Der wechselseitige Zuschub von heimatlosen Personen, der mit Gefahren für die
Sicherheit u. s. w. verbunden ist und die Quelle von Konflikten zwischen Nachbarstaaten
bildet, wird dadurch vermieden.
2) Das Institut für internationales Recht (Annuaire XV p. 271) hat folgende Resolution
gefaßt: Art. 6 (Schlußsatz): La denationalisation ne peut jamais &tre impose & titre de peine.
3) Vgl. v. Martitz a. a. O. 804; F. v. Martens I 335; Stoerk, HH II 630; Blunt-
schli, Völkerrecht $$ 378; Gareis $ 56; v. Liszt $ 11; De Bock, Du repatriement des
nationaux et &trangers Journ. de dr. int. pr. XVIII, 725 sq.; Cuche, La question de la r&-
pression intern. au Congrts penit. de Paris RG III, 237 sq.; Olivi, Des d£lits commis &
l’etranger R XXI, 37 sq.; Tchernoff, Protection des nationaux residant & l’&tranger (1699).