Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

362 Sechstes Buch. Rechtliche Stellung der Individuen. $ 114. 
  
Schutzgewalt kaun sich für die in ihren Privatinteressen durch das Verhalten 
eines fremden Staates gefährdeten oder geschädigten Staatsangehörigen er- 
geben, wenn der fremde Staat als Fiskus Verbindlichkeiten aus Rechts- 
geschäften nicht nachkommt, oder Verbindlichkeiten (wie insbesondere jene 
zur Zahlung von Zinsen für Staatsanleihen), deren Grundlage die Ausübung 
von Staatshoheitsrechten bildet, nicht erfüllt‘). Bezüglich der ersten 
Gruppe von Fällen wird (mit Ausnahme Belgiens und Italiens) von dem 
Grundsatze ausgegangen, daß der fremde Fiskus auch für privatrechtliche 
Streitigkeiten von der Jurisdiktion der ordentlichen Gerichte eximiert ist. 
Steht also den Privatpersonen in derlei Fällen die Hilfe der heimatlichen 
Gerichte nicht zur Verfügung, so ist dies umso weniger der Fall, wenn es 
sich um ein Rechtsverhältnis handelt, in welchem der fremde Staat nicht als 
Privatrechtssubjekt, sondern in seiner publizistischen Stellung als Träger der 
Staatsgewalt fungiert. Hierher gehören die Fälle der zweiten Gruppe; Nicht- 
zahlung von Zinsen von Staatsanleihen ist in neuerer Zeit öfter vorgekommen 
und hat die damit verknüpften Rechtsfragen, insbesondere die Frage, in welcher 
Weise der Staat hier seiner Schutzpflicht gegenüber den Interessen seiner Staats- 
angehörigen nachkommen kann, in den Vordergrund gestellt. Daß in beiden 
Gruppen von Fällen Tatbestände vorliegen, welche für die Regierung den Anlaß 
zu pflichtmäßiger Erwägung der Voraussetzungen der Gewährung des staatlichen 
Schutzes gegenüber dem fremden Staate bieten, unterliegt keinem Zweifel. Je 
nach dem Ergebnis dieser Prüfung betreffender Tatbestände wird der Schutz zu 
gewähren oder zu versagen sein. Im bejahenden Fall bietet sich nach gelten- 
dem Völkerrecht nur die Anwendung der gütlichen Mittel der Austragung eines 
Konfliktes eventuell die Anwendung der Mittel der Selbsthilfe. So kam es in 
neuester Zeit gegenüber Venezuela seitens Deutschlands, Englands und 
Italiens zur Anwendung der Kriegsblokade, nachdem die Anwendung der 
milderen Mittel der Herbeiführung einer Verständigung versagt hatte. 
An die bis heute vereinzelt hervorgetretenen Fälle der Nichterfüllung 
von Geldforderungen der Angehörigen dritter Staaten knüpft sich die Frage 
nach einer kollektiven Regelung des Gegenstandes und der Normierung eines 
konstant anwendbaren und wirksamen internationalen Mittels des Staats- 
schutzes für berechtigte Geldforderungen der Untertanen, deren Erfüllung 
ohne zureichenden Grund seitens des verpflichteten fremden Staates verweigert 
wird. Da es sich in derlei Fällen durchweg um rechtliche Streitfälle 
handelt, so würde die obligatorische Schiedssprechung wohl dasjenige 
Mittel sein, das einerseits den zu schützenden Interessen durchaus gerecht 
wird, gleichzeitig aber den Vorzug besitzt, daß seine Anwendung die 
Anwendung anderer mit dem Streitobjekte nicht in angemessenem Ver- 
  
1) Vgl. Kaufmann, R XXL, 556, XXIII, 62; Derselbe, Das internationale Recht 
der egyptischen Staatsschuld (1595); Meili, Der Staatsbankerrott und die moderne Rechts- 
wissenschaft (1895); Pflug, Staatsbankerott und internationales Recht (mit einem Anhang 
betr. die intern. Kontrolle des griechischen Finanzwesens) 1898; Zorn, Bank-Archiv VI, 
Nr. 9; Murat, RG V, 454; Politis, Les emprunts d’Etat en Droit international (1994) ; 
Derselbe RG Ill, 215 sq.
	        
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