$ 115. Stellung der Fremden zur Territorialhoheit des Aufenthaltsstaats ete. 565
teils tatsächlich gezogen sind. Die Bedingungen des Eintritts umfassen ge-
wisse materielle und formelle Garantien (Selbständigkeit in rechtlicher und
ökonomischer Beziehung, Unbescholtenheit usw. — Vorweisung von Legitimations-
papieren usw... Im Verkehr der Angehörigen der zivilisierten Staaten ist der
Eintritt in der Regel formlos, indem tatsächlich auch die Vorweisung von
Pässen nicht gefordert wird '!). Die Zulassung kann auch räumlich beschränkt
sein (in den ostasiatischen Staaten). Den anerkannten Beschränkungen des
freien Ermessens der Staatsgewalt widerspricht nicht die Zulässigkeit der Zurück-
weisung des Massenzuzugs von Fremden, namentlich dann, wenn ihr organisiertes
Auftreten eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung nach sich ziehen könnte 2).
Populationspolitische und wirtschaftliche Interessen veranlaßten einige Staaten, die Ein-
wanderung von Angehörigen jener Staaten zu verbieten bezw. zu beschränken, die an der
internationalen Gemeinschaft und der internationalen Rechtsordnung keinen vollen Anteil
haben. Infolge des sog. Burlingame-Vertrages vom 28. Juli 1568 wurde zwischen den Ver-
einigten Staaten und China die freie Einwanderung gegenseitig gewährleistet. Die un-
gewöhnliche Zunahme der chinesischen Einwanderung und gewisse wirtschaftliche Wirkungen
derselben führten zur Einschränkung bezw. dem Verbot der Einwanderung auf Grund des
Vertrags vom 17. November 1880. Ein neuer Vertrag vom 12. März 1588 wurde von China
nicht ratifiziert. Durch Gesetz vom 1. Oktober 1838 wurde den Chinesen, welche inzwischen
die Union verlassen hatten, die Rückkehr für die nächsten 20 Jahre verboten. Neue Ver-
handlungen führten zu dem Vertrage vom 17. März 1894, in welchem China dem Verbot der
Einwanderung für einen Zeitraum von 10 Jahren zustimmte; ebenso gab China seine Zu-
stimmung zu der durch die nordamerikanischen Gesetze von 1892 und 1893 eingeführten
Registrierung der in der Union sich rechtmäßig aufhaltenden chinesischen Arbeiter.?, — Analoge
Maßregeln wurden in Australien gegen die chinesische Einwanderung ergriffen; ebenso
in Ecuador. Der Kongreß von Costa-Rica hat durch Gesetz vom 20. Juli 1896 die weitere
Einwanderung von Chinesen untersagt, gleichzeitig aber auch gegen andere fremde Nationen
Abwelhrmaßregeln in Aussicht genommen.*)
II. Bezüglich der rechtlichen Lage des Fremden nach seinem Eintritt
in den fremden Staat und während seines Aufenthalts sind in praktischer Be-
ziehung die Fälle des bloß kurzen und vorübergehenden Aufenthalts von jenen
zu unterscheiden, in denen der Fremde längeren Aufenthalt zu nehmen und
insbesondere in einem bürgerlichen Berufe, Privatdienst usw. seine Persönlichkeit
zn betätigen gedenkt. Die hier maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte knüpfen
allerdings nicht an diesen Unterschied an; sie haben aber jedenfalls vorwiegend
für die letztere Klasse von Fällen praktische Bedeutung. Innerhalb dieser
Klasse von Fällen sind Verhältnisse denkbar, welche Beziehungen zu den ver-
ı) Die Forderung der Vorlegung eines Passes ist nur eine Konsequenz des souveränen
Ermessens des Empfangstaats bezüglich der Bedingung des Eintritts in das Staatsgebiet. Von
dem Paßzwang wurdo auch tatsächlich bis in die neuere Zeit Gebrauch gemacht. Heute be-
steht der Paßzwang noch in Rußland. Im Jahre 1858 war Deutschland veranlaßt, von dieser
Maßregel gegenüber Frankreich Gebrauch zu machen. Vgl. Clunet, La question des passe-
ports en Alsace-Lorraine (1888); v. Holtzendorff, Lettre & Mr. Clunet R XX, 617 sq.;
Rolin-Jaequomyns, RXX, 615.
2) Das v. Bar’sche Projekt (s. o. Annuaire XI) behandelt dieso Seite der Frage in
Art.6; Art.7 fügt bei: La protection du travail national n’est pas, A elle seule, un motif
suffisant de non-admission.
3) Vgl. Ratzel, die chinesische Auswanderung (1876); Sartorius von Walters-
hausen, Hdwörterb. d. Staatsw. III, 44ff ; Cailleux, La question chinoise (1696); Geffcken
R XVIH, 105sq 4) Siehe RG IV, 136 sq.