Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 116. Asylrecht und Auslieferung. 369 
  
I,ande sich aufhalten. Im ganzen wird immer daran festzuhalten sein, daß es sich 
nicht um den Vollzug einer Strafe, sondern um eine administrative Maßregel 
handelt. Zwangsmaßregeln (eventuell Bestrafung) sind nur in Fällen des Unge- 
horsams gegen den Ausweisungsbefehl oder der unbefugten Rückkehr zulässig. 
Von der Ausweisung, die in formeller Beziehung stets einen Ausweisungs- 
befehl voraussetzt, ist die materiell allerdings nicht besonders qualifizierte 
zwangsweise Abschiebung (droit de renvoi, reconduction) gänzlich mittel- 
loser, vagabundierender, ausweisloser und sonstwie verdächtiger Individuen zu 
unterscheiden. Diese Maßregel wird allemal anwendbar sein, wenn die betreffende 
Person nicht schon beim Betreten des Gebiets an der Grenze zurückgewiesen 
worden ist. 
V, In Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsverträgen sichern sich die 
Kontrahenten bezüglich ihrer Angehörigen die Beobachtung von Regeln, die 
in der Hauptsache den Maximen entsprechen, welche die zivilisierten Staaten 
heute gegenüber Fremden anerkennen. Es muß aber nochmals betont werden, 
daß, abgesehen von dieser Art von Garantien korrekten Vorgehens in Aus- 
weisungsfällen, für die Staaten der internationalen Gemeinschaft schon in der 
Anerkennung der von der Nationalität unabhängigen Rechtssubjektivität der 
Individuen ein Verpflichtungsgrund für rechtmäßiges Verhalten und Beachtung 
von Rücksichten der Billigkeit liegt. Eine Beschwerde des Heimatsstaats des 
Ausgewiesenen aus Anlaß der Nichtbeachtung dieser Grundlage 
des Völkerverkehrs und seiner rechtlichen Ordnung wäre daher 
immerhin begründet und könnte nicht als ein unzulässiger Eingriff in das 
Selbstbestimmungsrecht des Aufenthaltsstaats aufgefaßt werden. 
$ 116. Asylrecht und Auslieferung. Der Staat ist kraft seiner 
Souveränetät bezüglich der Zulassung von Fremden unbeschränkt; der Unter- 
schied, ob betreffende Personen unbescholten sind oder wegen strafbarer Hand- 
lungen verfolgt werden, hat keine Bedeutung. Der Staat kann auch diesen 
letzteren (ohne Unterschied der rechtlichen Beschaffenheit des Verbrechens) den 
Eintritt in sein Gebiet und den Aufenthalt gestatten. Der Übertritt des Ver- 
folgten auf fremdes Staatsgebiet schützt ihn vorläufig bezw. dauernd vor Ver- 
folgung. Man bezeichnet das Verhältnis des Verfolgten zu dem Aufenthalts- 
staat als völkerrechtliches Asyl. Dieses Verhältnis ist eine einfache 
Konsequenz der Geschlossenheit des territorialen Souveränetätsrechts. Da 
der Fremde einen rechtlichen Anspruch auf Zulassung und Duldung des 
Aufenthalts nicht hat, so kann der aus irgend welchem Motiv Flüchtige einen 
Anspruch auf Gewährung des Asyls nicht erheben. Anderseits besteht keine 
Asylpflicht; der Staat kann das Asyl verweigern bezw. den Flüchtigen aus- 
weisen; gewährt er das Asyl, so ist er jedenfalls berechtigt, den Mißbrauch des 
gewährten Schutzes zu Angriffen gegen andere Staaten durch polizeiliche Über- 
wachung usw. zu verhüten. Beschränkungen des freien Ermessens des Staats 
gegenüber Flüchtigen können durch Statuierung der Auslieferungspflicht 
im Landesrecht oder in Verträgen (Auslieferungsverträgen) begründet sein. 
  
Ullmann. Völkerrecht. 24
	        
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