370 $ 117.
Siebentes Buch.
Gemeinsame Wirksamkeit der Staaten im Bereich der
Rechts- und Kulturinteressen.
$ 117. Einleitende Bemerkungen. Neben den Rechten und Pflichten,
die im Bereich der internationalen Gemeinschaft für die einzelnen Völkerrechts-
subjekte mit der Tatsache ihrer Koexistenz und den regelmäßigen Wirkungen
des Verkehrs verknüpft sind, kommen namentlich im modernen Völker- und
Staatenverkehr Rechtsverhältnisse in Betracht, deren Ausgangspunkt eine viel-
gestaltige autonome Tätigkeit und Korporation der Staaten auf den
verschiedenen Gebieten der Staatsaufgabe bildet. Der immer
intensiver sich gestaltende Verkehr der Völker ruft immer neue Beziehungen
der Staaten und ihrer Angehörigen hervor, welche alle jene Interessen berühren,
in deren Schutz und Pflege sich die Aufgabe des heutigen Staates erschöpft.
Nun entwickelt gerade der moderne Staat sowohl auf dem Gebiete der
Rechtsaufgabe wie auf jenem der Kulturaufgabe aus dem Gesichtspunkte
der Förderung des Gemeinwohls eine immer intensivere Tätigkeit; in seiner
Funktion als Kulturstaat tritt neben dem Momente wirksamen Interessen-
schutzes (durch Akte der Gesetzgebung und der Rechtspflege) auch jenes
positiver Pflege hervor; im Hinblick auf den angestrebten und vielfach er-
reichten Effekt bezeichnen wir diese Seite staatlicher Wirksamkeit als Wohl-
fahrtspflege. Diese Funktion erstreckt sich heute in den zivilisierten Staaten
wohl schon auf alle Interessen, deren wirksame Pflege auf die Mittel staatlich
organisierten Gemeinlebens angewiesen ist; was der Einzelne im Bereich seiner
legitimen Individualinteressen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln
nicht zu leisten vermag, — das soll der Staat mit seinen Kollektivmitteln
leisten. Indem aber der Staat zu diesen Leistungen sich bereit findet, er-
kennt er zugleich an, daß es sich nicht um die Pflege der Individualinteressen
als solcher oder gar um höchst persönliche Interessen handelt; die Er-
kenntnis, daß die Pflege der rechtlichen, sittlichen, geistigen,
ökonomischen, sanitären und sonstigen Interessen eine Bedingung des
Gemeinwohls und dadurch des Individualwohls ist, hat hinwieder zur Voraus-
setzung die Erkenntnis, daß diese Interessen als Gemeininteressen auf die
schützende und pflegende Tätigkeit des Staates angewiesen sind, und daß
der Staat nach dieser positiven Seite durch passives Verhalten seinen Zweck