8 118. Die Gesetzgebung. 373
fähigkeit ausländischer Aktiengesellschaften, die infolge der Auswanderungs-
freiheit vorkommenden Fälle der Heimatlosigkeit und melırfacher Staats-
angehörigkeit und die internationale Wirkung der Konkurseröffnung. Übrigens
ist die Regelung des sog. internationalen Privatrechts in Einzelverträgen,
die ja nur ein beschränktes Geltungsgebiet haben, und inhaltlich oft sehr ver-
schieden sind, offenbar nicht geeignet, das hier in Betracht kommende wichtige
solidarische Interesse der heutigen Kulturstaaten zu befriedigen. Dies ist nur
durch eine einheitliche und gleichmäßige Gestaltung der Kollisionsnormen
für ein möglichst umfangreiches internationales Anwendungsgebiet zu erreichen.
Das formelle Mittel der Verwirklichung dieser Aufgabe der heutigen Kultur-
staaten ist der universelle Staatsvertrag (s. oben S. 15, It). Es ist schon oben
(S. 80 ff.) in anderem Zusammenhang der neuesten Bestrebungen auf diesem
Gebiete gedacht worden, deren Ergebnis in dem Haager Übereinkommen vom
12. Juni 1902 (RGBI 1904 S. 221, '!) niedergelegt ist. Dieses Ergebnis bildet
eine überaus wertvolle Äußerung der Idee der internationalen Gemeinschaft
und der Solidarität der Kulturstaaten auf jenem Gebiete staatlicher Aufgaben,
deren Lösung bis in die neueste Zeit der kollektiven Wirksamseit der Staaten
weniger zugänglich zu sein schien. Auch hier war es die Macht der Tatsachen,
welche die autonome Gesetzgebung der Einzelstaaten in den Dienst eines
wichtigen solidarischen Interesses gestellt hat?2.. Das Haager Abkommen
umfaßt drei Konventionen, welche auf familienrechtlichem Gebiete gieich-
mäßiges Recht geschaffen haben; es ist dies gerade dasjenige Gebiet, auf dem
der Mangel einer gleichmäßigen internationalen Regelung am allerschlimmsten
sich fühlbar machte. Allerdings werden mit der Wirksamkeit dieser Konventionen
nicht alle Mißstände auf dem Gebiete des Familienrechts beseitigt; ferner ist
das Geltungsgebiet der Konventionen vorläufig noch ein enges, da selbst i inner-
halb Europas zwei große Staatsgebiete — England und Rußland — der neuen
Rechtsgemeinschaft nicht beigetreten sind.
a. Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Ehe-
schließung. Das Recht zur Eingehung der Ehe bestimmt sich nach dem Heimats-
recht jedes der Verlobten (Art. 1); mit der Anerkennung dieses Grundsatzes (im Gegensatze zu
jenem des englisch-amerikanischen Rechts nach welchem das Gesetz des Domizils, ja sogar des
bloßen Aufenthaltsorts entscheidend ist) soll im Geltungsgebiet der Konvention die Umgehung
des Heimatsrechts durch vorübergehende Subjektion unter eine fremde (scsetzgebung unmöglich
gemacht werden. Der Grundsatz ist allerdings etwaa durch den Zusatz gemäßigt: „soweit
nicht eine Vorschrift des Heimatsgesetzes ausdrücklich auf ein anderes Gesetz verweist.* Dem
Gesetz des Ortes der Eheschließung ist aber ein gewisser Einfluß eingeräumt, insofern
es die Ehe von Ausländern untersagen kann, wenn cs sich um gewisse in der Konvention
1) Abgedruckt auch bei Fleischmann, 330 ff.; die Denkschrift der deutschen Re-
gierungen in Z. XIV, 524 ff.; Verhandlungen in NRG 2. Ser. XXXI, 26; Meili, Das inter-
nationale Privatrecht und dio Staatenkonferenzen im Haag (1900) und Dessen, Der Gegen-
stand und die Tragweite der europ. Staatenkonferenzen u. 8. w. (1905); Kahn, ZXIJ, 1, 201,
385, XIII, 229; Derselbe, Die einheitliche Kodifikation u. s. w. (1904); Niemeyer, deutsche
Juristenzeitung v. 1. Juni 1903; Renault. Les conventions de la Haye etc. (1904).
2) Über die Phasen dieser Kodifikationsbestrebungen (selbständige Versuche einzelner
Theoretiker, Verhandlungen und Beschlüsse internationaler Gesellschaften und Kongresse, ins-
besondere des Instituts für internationales Recht — diplomatische Verhandlungen der Re-
gierungen) siche Kahn, die einheitliche Kodifikation u. s. w. 6 ff.