$ 119. Die Rechtspflege. 377
einer bestimmten Deliktsart und einer bestimmten Form der Begelung dieser
Deliktsart liegt.
In den bezeichneten Fällen handelt es sich um staatliches, durch völker-
rechtliche Akte veranlaßtes Strafrecht. Daneben kommt in einem derzeit noch
engen Umfang ein unmittelbar internationales Strafrecht vor, das auf
den mit der Strafsanktion versehenen Anordnungen der internationalen Schiff-
fahrts- und Sanitätskommissionen beruht. !)
$ 119. II. Die Rechtspflege. Internationale Rechtshilfe.2) Eine der
segensreichsten Wirkungen des Solidaritätsbewußtsein der Kulturstaaten ist
die Anerkennung der Pflicht, einander in der Erfüllung der Aufgaben der
Rechtspflege Hilfe zu leisten.
Die Eigenart zivil- und strafrechtlicher Rechtsverhältnisse bringt es viel-
fach mit sich, daß der subjektive Prozeßzweck mit den formellen und materiellen
Machtmitteln des Staates nicht erreicht werden kann, weil auswärtige Personen,
Sachen, Beweismittel für den Prozeß nicht in Anspruch genommen werden
können, daher auch die Realisierung des objektiven Prozeßzwecks vereitelt
wird. Im Bereich von Staaten gleicher Rechtskultur sind nun die Voraus-
setzungen für die gegenseitige Anerkennung der Pflicht, dem mit einer Reclhıts-
sache befaßten Gericht durch Vornahme der erforderlichen prozessualen Hand-
lungen Hilfe zu leisten, vorhanden. Die Anerkennung dieser Pflicht kann durch
Übun ge von Fall zu Fall?) — schlechthin oder unter der Voraussetzung
der Reziprozität — erfolgen, sie kann in Rechtshilfegesetzen oder in
Rechtshilfeverträgen zum Ausdruck kommen. Erhöhten Wert für die
hier in Frage stehenden Interessen besitzt natürlich die Regelung des Gegen-
standes durch Verträge. Diese Verträge regeln die Rechtshilfe in Zivil-
rechtssachen (für das Instruktionsverfahren, die Vollstreckung von Urteilen),
in Strafsachen, in Angelegenheiten der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit und
in Konkurssachen. Von diesen Verträgen unterscheiden sich in juristischer
Beziehung die in früherer Zeit üblichen Deklarationen, mittels welcher ein
Staat dem andern jene Grundsätze zur Kenntnis bringt, die von seinen Behörden
nach Maßgabe der geltenden Gesetze in Sachen des internationalen ProzeB-
rechts angewendet werden. Während aus Rechtshilfeverträgen wie aus jedem
anderen Vertrage für die Kontrahenten Rechte und Pflichten entstehen, und
9» Vgl. v. Liszt $ 31 vgl. mit $ 16.
2) Lammasch, HH IIL S. 345 ff.; Dessen Auslieferungspflicht und Asylrecht 1597;
v. Martitz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen I (1859), II (1897); Endemann, Die
Rechtshilfe im Norddeutschen Bunde (18691; Böhm, Handb. d. Rechtslilfeverf. (1890); v. Bar,
Theorie und Praxis Il 409; Dessen Lehrbuch 168; F. v. Martens II 273, 343; Rivier,
Principes I 337; Gareis S. 196 ff.; Curti, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz uud
Frankreich u. 8. w. (1879); Brocher, Commentaire pratique et theor. du traite franco-suisse
(1869); über den österreichisch-serbischen Vertrag: v. Haan in der österreichischen Gerichts-
zeitung 1683, Nr. 35 ff.; Johanny in den „Jurist. Blättern“ 1883, Nr. 19 ff.; Strisower, R
XV1 200; Paulowitch, Journ. d. dr. intern. p. 1654, 1 sq., 140sq. Wach, Handb d. d.
Zivilprozeßr. 1 206; Walker, Streitfragen (1597). — Wichtiges Quellenwerk: „Die Rechts-
verfolgung im internationalen Verkehr. Herausgeg. v. Leske und W.Loewenfeld, I. Bd.
1895, IL Bd. 1597 ff. — Reiches Material Z. Bd. I ff.
3) Ein höchst unzulänglicher Vorgang. Lammasch, HH 111 350, 351, 383.