8 120. Die streitige Zivilgerichtsbarkeit. 381
die Verträge bezüglich der den Prozeß einleitenden gerichtlichen Verfügungen
für jene Fälle, in denen das eventuelle Urteil in dem anderen Staate zur
Vollstreckung kommt. Nach Art. 4 des Haager Abk. kann durch Gesetze der
beteiligten Staaten oder durch Vereinbarung eine besondere Form der Zu-
stellung eingeführt sein u. zw. die unmittelbare Zusendung durch die Post,
die seitens der Beteiligten veranlaßte unmittelbare Zustellung durch diejenigen
Gerichtsvollzieher oder sonstigen Beamten, die in dem Lande, wo die Zu-
stellung erfolgen soll, hiefür zuständig sind, und die seitens der Staaten durch
ihre diplomatischen oder konsularischen Vertreter veranlaste Zustellung.
In Fällen beantragter Beweisaufnahme kann für das ersuchte Ge-
richt die Frage der gesetzlichen Zulässigkeit nach dem für dieses Gericht
geltenden Rechte Bedeutung gewinnen. Bei Beantwortung dieser Frage wird
davon auszugehen sein, daß der Rechtshilfeakt eine auf den Inhalt des Er-
suchens beschränkte Tätigkeit bedeutet, daher schon um deswillen eine all-
seitige und erschöpfende juristische Prüfung der Rechtssache, der die bean-
tragte Beweisaufnahme von dem fremden Prozeßgerichte eingefügt werden
soll, ausgeschlossen ist'). Die Rechtshilfe würde augenscheinlich unwirksam,
wenn das ersuchte Gericht eine Beweisaufnahme ablehnen dürfte, weil das
inländische Recht die klagweise Geltendmachung des Anspruchs, der den
Gegenstand des bei dem ersuchenden Gerichte anhängigen Prozesses bildet,
nicht zuläßt, oder weil nach inländischem Recht das mit der Sache befaßte
fremde Gericht zur Entscheidung nicht kompetent wäre. Die Rechtshilfe-
verträge enthalten in den eben gedachten Richtungen keine ausdrückliche Be-
stimmung, dagegen ist die Vollstreckung ausländischer Urteile ins-
besondere an die Voraussetzung der Kompetenz des fremden Prozeßgerichts
nach den für das ersuchte Gericht geltenden Vorschriften, ferner daran ge-
knüpft, daß die Vollstreckung des ausländischen Urteils mit dem öffentlichen
Recht des ersuchten Staates nicht in Widerspruch steht. Die ausdrückliche
Statuierung besonderer Erfordernisse bezüglich einer bestimmten Kategorie
von Rechtshilfeakten (Urteilsvollstreckungen) läßt den Schluß zu, daß andere
Rechtshilfeakte an diese Erfordernisse nicht gebunden sind. — Das Haager
zivilpr. Abk. hat dagegen die Berechtigung, die Rechtshilfe hinsichtlich der
Requisitorialien (und der Übergabe der Akten) zu erteilen oder zu verweigern,
positiv abgegrenzt, indem sie nach Art. 7 nur abgelelınt werden kann, wenn
die Erledigung nach der Auffassung des Staates, auf dessen Gebiet sie er-
folgen soll, geeignet erscheint, seine Hoheitsrechte zu verletzen oder seine
Sicherheit zu gefährden.
Mit dem Zwecke und dem Grundgedanken der Rechtshilfe hängt es ferner
zusammen, daß die Differenz der gesetzlichen Beweissysteme der beteiligten
Staaten die Ablehnung der Beweisaufnahme nicht rechtfertigen kann. Eine
Grenze kann nur durch die gesetzliche Unzulässigkeit der Handlung des Ge-
1) Derlei Beweisaufnahmen haben immer nur Gültigkeit, Wert und Bedeutung für den
im Auslande durchgeführten Prozeß, nicht für ein Forum des Rechtshilfe gewährenden Staates
— z. B. in dem Falle, wenn cin Gericht dieses letzteren Staats später mit derselben Rcchts-
sache befaßt würde. Näheres bei Lammasch, HH III S. 392.