Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

398 Siebentes Buch. Gemeinsame Wirksamkeit der Staaten etc. $ 12%. 
  
wegs die logische Konsequenz des begrifflichen Wesens des politischen Delikts; 
sie findet vielmehr ihre Erklärung lediglich in den Gegensätzen der Regierungs- 
systeme und der Betonung bestimmter politischer 'Tendenzen einzelner Staaten. 
Es ist daher nicht ausgeschlossen, wenngleich kaum wahrscheinlich, 
daß die weitere Entwicklung dieser Materie wieder zur Beseitigung des Grund- 
satzes der Nichtauslieferung wegen politischer Delikte führen kann, !) sind doch 
schon derzeit. Modifikationen anerkannt, die sich allerdings zunächst nur auf 
dem Boden einer genaueren Erkenntnis der Natur des politischen Delikts und 
seines verschiedenartigen Zusammenhanges mit gemeinen Delikten bewegen. 
Ein Hindernis der Lösung der vorliegenden Frage wird aber voraussicht- 
lich auf lange Zeit hinaus die Schwierigkeit einer allgemeine Anerkennung 
beanspruchenden dogmatischen Erkenntnis der Natur des politischen 
Delikts bilden. 2) 
Nach den geltenden Verträgen ist die Auslieferung zunächst ausgeschlossen 
wegen sogenannter absoluter politischer Delikte. Nach der Praxis der west- 
europäischen Staaten ist die Auslieferung aber anch ausgeschlossen wegen so- 
genannter relativer politischer Delikte, wenn das politische Delikt durch Mittel 
ausgeführt wird, die zwar nicht mit dem Tatbestande des betreffenden Delikts 
(z. B. einer hochverräterischen Unternehmung) notwendig gegeben sind, aber 
gewöhnlich angewendet werden (Delit complexe), ferner bei Delikten, deren 
Begehung in Zeiten politischer Bewegung durch die Unternehmung des politischen 
Delikts veranlaßt worden ist (Delit connexe). Allein im Hinblick auf einen 
politischen Zweck können die an einer Bewegung Beteiligten sich zu den 
scheußlichsten gemeinen Verbrechen hinreißen lassen. Es ist daher durchaus 
zutreffend, wenn das Institut für internationales Recht in seiner neuesten Fassung 
der Oxforder Regeln den Grundsatz der Nichtauslieferung bezüglich der relativen 
politischen Delikte folgendermaßen formuliert: Elle (l’extradition) ne sera pas 
admise non plus pour infractions mixtes ou connexes & des crimes ou delits 
politiques relatifs, a moins toutefois qu’il ne s’agisse des crimes les 
plus graves au point de vue de la morale et du droit commun, tels 
que l’assassinat ete. Die Berufung auf den politischen Zweck oder das politische 
Motiv kann bei diesen Delikten nicht gegen Auslieferung schützen. — Die 
gegen Staatsoberhäupter unternommenen Attentate haben zuerst in dem 
  
les mutilations et les blessures graves volontaires et prömeditees, les tentatives de crines de 
ce genre et les attentats aux proprietes par incendie, explosion, inondation, ainsi que les vols 
gravcs, notamment ceux qui sont commis & main arınde et avec violences. — En ce qui con- 
cerne ler actes commis dans le cours d’une insurreetion ou d’une guerre civile, par ’une vu 
l’autre des partis engages dans la lutte, et dans l’intCröt de sa cause, ils no pourront donner 
lieu & l’extradition que s’ils constituent des actes de vandalisme d@fendus suivant les lois de 
la guerre, et seulement lorsque la gueire civile a pris fin. — Vgl. noch Provo Kluit, De 
deditione profugorum 11829); Soldan, L’extrad. des criminels politiques (1882); Lammasch, 
Auslieferungspflicht u. s. w. 203 ff.; Privaz, Nature et effets du principe de P’asyle poli- 
tique (1595); Oppenheim, 1 $$ 333 sq. 
1) Rivier, Principes I p. 354: li est & prevoir, ct ce se sera un r&el progress, qu'un 
ira plus loin, et que la rögle de la non-extradition pour infractions politiques, & la foi inutile 
et contraire & la conscience juridiique moderne, disparaitra, Gegen diese Anschauung neuestens 
Oppenheim I, $ 338. 2) Vgl. Oppenheim I, $$ 338 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.