Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

87. Verhältnis des Völkerrechts zu verwandten Materien. 35 
  
seine Aufimerksamkeit geschenkt. — Praktische Zwecke (insbesondere auf dem 
Gebiete der Kodifikation) verfolgt auch die Gesellschaft für Völker- 
recht in Petersburg. 
$ 7. Verhältnis des Völkerrechts zu verwandten Materien. I. In 
erster Linie ergeben sich notwendige Beziehungen des Völkerrechts zum 
Staatsrecht, denn Subjekte des Völkerrechts sind nur Staaten. Ob ein 
Gemeinwesen in der internationalen Gemeinschaft als Subjekt von Rechten 
und Pflichten Anerkennung finden könne, hängt von seiner rechtlichen Organi- 
sation als Staat ab. Die Verfassung mag wie immer beschaffen sein — jeden- 
falls muß sie allgemein anerkannten Anschauungen über die notwendigen 
Kriterien des Staats entsprechen. Die Grundlage für die Beantwortung der 
Frage, ob ein Gemeinwesen als Staat existiert und sohin als Subjekt des 
Völkerrechts überhaupt in Betracht kommen kann, ist in jenen Vorgängen zu 
suchen, durch welche sich die Konstituierung des Gemeinwesens vollzieht. 
Als Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung, die von den jeweiligen kul- 
turellen Verhältnissen des betreffenden Volkes wesentlich bestimmt ist, läßt 
das Staatsrecht wie überhaupt das nationale Recht der einzelnen Staaten die 
jeweilige Auffassung der staatlichen Aufgaben und damit auch das Maß des 
Anteils erkennen, den betreffende Staaten an der Lösung internationaler Auf- 
gaben zu nehmen imstande sind. 
In dogmatischer Beziehung weisen Völkerrecht und Verfassungsrecht 
eine eigenartige Parität auf, insofern die Normen, die sich die Staaten nach 
außen setzen und die verfassungsrechtlichen Normen auf Willensakten des 
Staates beruhen, in denen sich eine Selbstbeschränkung der Staatsgewalt be- 
kundet.!) Wissenschaft und Praxis des Völkerrechts und des Staatsrechts 
sind auf die Verwertung einer Reihe von Kategorien angewiesen, die beiden 
Gebieten gemeinsam sind. So begegnen wir z. B. den Begriffen der Sou- 
veränetät, des Volkes im politischen und ethnographischen Sinn, des Terri- 
toriums, des Staatsvertrags u. s. w. im Staatsrecht und im Völkerrecht. Recht- 
lich bedeutsame Verhältnisse der verschiedensten Art weisen eine staatsrecht- 
liche und völkerrechtliche Seite auf; Institute, die auf dem Boden des Staats- 
rechts ihre geschichtliche Entwicklung gefunden haben (z. B. die Staatsdienst- 
barkeiten des alten Deutschen Reiches), finden im Völkerrecht Aufnahme. 
In praktischer Beziehung ist vielfach die rechtliche Existenz eines 
internationalen Vorgangs an das Vorhandensein staatsrechtlicher Voraus- 
setzungen geknüpft; so ist z. B. die Fähigkeit einer Person, als Repräsentant 
eines Staats im Völkerverkehr zu fungieren, von den staatsrechtlichen Be- 
stimmungen des betreffenden Staats über die Ausübung der Repräsentativ- 
  
1) Vgl. über diesen Punkt die Ausführungen von Jellinek, Die rechtliche Natur 
der Staatsverträge 8. 14ff.; Desselben „System der subjektiven öffentlichen Rechte“ 
8. 183ff.; Stoerk s. v. „Staatsverträge“ in v. Stengels Wörterbuch d. d. Verwaltungs- 
rechts; Nippold, Der völkerrechtliche Vertrag 8. 21ff. Dagegen Fricker, Ztschr. f. d. ges. 
Staatswissenschaft XXXIV S. 384; Seligmann, Abschluß und Wirksamkeit von Staatsver- 
trägen S. 16ff. 
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