Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

Die Selbsthilfe. Embargo. 457 
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Im Mittelalter hing es mit dem Mangel einer ihrer Schutzpflicht bewußten öffentlichen 
Gewalt zusammen, daß Repressalien auch als Akte privater Selbsthilfe von jedermann wegen 
der von einem auswärtigen Staat oder dessen Untertanen begangenen Verletzung oder Be- 
leidigung geübt werden konnten. Den Übergang zur ausschließlichen Handhabung des 
Repressalienrechts durch die Staatsgewalt bildet die Übung, der zufolge Privatpersonen mit 
Erlaubnis der öffentlichen Gewalt ihres Landes Repressalien üben durften (Erteilung von 
lettres des rCpr6sailles ou de marque), wenn auf diplomatischem Wege nichts erlangt wer- 
den konnte. Trotzdem es sich aber heute um eine Aktion eines Staates gegen einen an- 
deren Staat wegen einer Verletzung handelt, für welche er völkerrechtlich verantwortlich ist, 
werden in der Praxis nicht bloß Rechte und Interessen des Staates, sondern auch die der 
Untertanen ala Objekte der Repressalien behandelt. 
IV. Die Mittel der Repressalien sind teils negativer teils posi- 
tiver Art. 
Die positiven Repressalien bestehen in der Vornahme von Handlungen, die sonst den 
Charakter völkerrechtlich deliktischem Handelns an sich tragen; hicher gehört z. B. die Be- 
schlagnahme von Vermögensgegenständen oder Forderungen des zu zwingenden Staates oder 
seiner Untertanen (einer Aktiengesellschaft u. dgl.) Die negativen Repressalien bestehen in 
der Verweigerung von Leistungen, zu deren Erfüllung eine Rechtspflicht besteht; hicher ge- 
hört insbesondere die Verweigerung der Erfüllung von vertragsmäßig stipulierten Leistungen. 
Anderweites Vorgehen des verletzten Staates kann in der Aufhebung von Rechten und Pri- 
vilegien bestehen, welche die Untertanen des zu zwingenden Staates genießen oder in dem 
Verbot an die Untertanen des zu zwingenden Staates, das Gebiet des verletzten Staates zu 
betreten; früher kam es vielfach zur Gefangennahne von Untertanen und Behandlung der- 
selben als Geiseln (Androlepsie), auch wohl zur Gefangennahme von Beamten u. s. w.!) 
In Zusammenhang mit der älteren Auffassung der Repressalien und der Praxis des 
Repressalienrechts steht die Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Repres- 
salien.?ı Erstere sind solche Zwangsmaßregeln, die gegen den zu zwingenden Staat und 
dessen Untertanen gerichtet sind?); als besondere oder spezielle Repressalien werden teils 
jene bezeichnet, zu deren Anwendung einzelne Personen vom Staate ermächtigt sind — im 
Gegensatze zu den von den Organen des verletzten Staates zu vollzichenden Gewaltmaß- 
regeln, teils beschränkt man die Bezeichnung auf Fälle, in denen durch bestimmte einzelne 
Gewaltmaßregeln der Zweck erreicht werden soll.) 
$ 161. 3. Embargo.) Mit dem Ausdruck „Embargo“ (von dem spanischen 
embargar,anhalten) bezeichnet man die Beschlagnahme von gegnerischen Handels- 
schiffen $) — eine Maßregel, von der zu verschiedenen Zwecken Gebrauch ge- 
macht wurde. Findet die Anwendung der Maßregel außer dem Kriege und 
ohne Beziehung auf den drohenden Ausbruch eines Krieges statt, so handelt 
es sich um die Erzielung einer Wirkung, die an die Repressalien im allgemeinen 
geknüpft ist; das Embargo erscheint dann als ein spezieller Fall der Re- 
pressalien. 
  
1) Vgl. F. v. Martens II, 469. — Die Unterbrechung von Post- und Telegraphen- 
verbindungen schädigt auch dritte, nieht beteiligte Personen. 
2) Vgl. Calvo $ 1810; F. v. Martens II, 470. 
3) Sie bedeuten der Sache nach ein kriegerisches Unternehmen. 
4) Vgl. v. Bulmerineg, HH IV, 55 ff. 
5) v. Holtzendorff HRL s. v. Embargo; Phillimore III, 44 sy.; Travers T wiss 
1I. 21 sq.: Calvo $$ 1824 sq.; F. v. Martens II, 471ff.; v. Bulmerincq HH IV, 95 ff.; 
Perels, Internationales Seerecht 150 ff. 
61 Zunächst also nur cine Arrestanlage, die sich aber eventuell, wenn dieser indirekte 
/,wang obne Erfulg bleibt, oder wenn ces zum Kriege kommt, in definitive Wegnahme 
(Konsfiskation) verwandelt. (Gareis $& 7°.
	        
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