Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ 163. Die Selbsthilfe. Die Intervention. 459 
  
ll. Die Anwendbarkeit dieser wesentlich kriegerischen Maßregel in Friedenszeiten zum 
Zwecke unblutiger Austragung eines Streitfalles mag als wirksames Mittel zu dem gedachten 
Zwecke vom Gesichtspunkt der Humanität immerhin Beifall finden. Allein, maßgebende 
Gründe, welche die Anwendung eines spezifisch kriegerischen Mittels in Friedenszeiten recht- 
fertigen könnten, können kaum geltend gemacht werden; ferner ist doch bezüglich der 
Zwangsmaßregeln zur Austragung eincs Streitfalls ohne Krieg wesentlich die Forderung zu 
stellen, daß die Aktion sich nur gegen den zu zwingenden Staat und dessen Interessen wende. 
Der außerordentliche Zustand, der durch den Krieg mittelbar auch für dritte unbeteiligte 
Staaten und deren Angchörige geschaffen wird, bringt es mit sich, daß auch die einzelnen 
kriegerischen Maßregeln in bezug auf die Nichtbeteiligten Wirkungen äußern, die vielfach 
nicht vermieden werden können. Um deswillen ist vom rechtlichen Standpunkte gewiß die 
Forderung gerechtfertigt, daß die Anwendung solcher über den legitimen Zweck hinaus- 
greifender Maßregeln auf jene Verhältnisse beschränkt bleiben, in welchen die spezifische 
Voraussetzung ihrer Anwendung, d i. der Kriegszustand vorhanden ist. Dazu kommt, daß 
erfahrungsgemäß die Friedensblokade vielfach nicht geeignet ist, den Streitfall definitiv zu 
beseitigen, sondern tatsächlich zu ernsteren Verwicklungen führt, an die sich endlich der 
Ausbruch des Krieges anschließt. Erwägungen dieser Art lassen die Zulässigkeit der hier 
in Frage stehenden Maßregel jedenfalls zweifelhaft erscheinen. Im übrigen ist eine Reilıe 
von Streitfragen über den Umfang der durch die Maßregeln herbeigeführten Wirkungen ent- 
standen. Das Institut für internationales Recht akzeptierte die Ergebnisse der Praxis, die 
auf der Überzeugung von der Zulässigkeit der Maßregel beruhen, und forınulierte eine Reihe 
von Grundsätzen. Die Blokade muß effektiv und notifiziert sein. Die sistierten Schiffe sollen 
lediglich sequcstriert werden und sind nach Aufhebung der Blokade den Eigentümern mit 
der Ladung zurückzugeben u. z. ohne Entschädigung! Dagegen dürfen nach der Ansicht 
des Instituts neutrale Schiffe den Hafen trotz der Blokade anlaufen, ohne sich Gewaltband- 
lungen seitens der blokierenden Macht auszusetzen). In der Praxis kaın es allerdings vor, 
daß auch neutrale Schiffe, welche die Blokade zu brechen suchtea, saisiert, aber zurück- 
gegeben wurden, u. z. ohne Entschädigung; so in der Zeit vor 1850. Anders in den schon 
oben (S. 455) erwähnten neueren Fällen. In dem Falle des Vorgehens gegen Venezucla (1902) 
wurde der Standpunkt der kriegerischen Blokade eingenommen, daher Gewalthandlungen 
gegen Blokadebruch durch neutrale Schiffe nicht ausgeschlossen waren. 
$ 163. 5. Die Intervention.) I. Die Einmischung eines Staates in einen 
zwischen andern Staaten schwebenden Streitfall (olıne individuelle Legitimation 
  
1) Sieho Annuaire IX, 275 sg. 
2), Heffter-Goffeken, $ 112, Porels, Scerecht $ 30, verlangen von den Neutralen 
Respektierung der Friedeneblokade. Die überwicgende Mehrzahl der Theoretiker verneinen 
aber eine solche Pflicht. 
3) Heibeorg, Das Prinzip der Nichtintervention (1842): Rotteck, Das Recht der Ein- 
ınischung (1845); Berner in Bluntschli’s Staatswörterbuch s. v. „Intervention“; Heffter- 
Geffcken $$ 44—46; Geffcken, HH IV S. 131ff.; Strauch, Zur Interventionslehre (1879); 
F. v. Martens I S. 209 ff.; Gareis $ 26; v. Liszt $7; Rivier, Lehrb. $ 131 und Principes 
I p. 389sq.; Heilborn, System S. 353ff.; Lawrence, Comnicntaire sur Wheaton II p. 
191sq.; Hautefeuille, Le principe de non-intervention (1863); Stapleton, Intervention and 
Non-Intervention cete. (1866); Oppenheim I, $$ 134 sq.; Calvo $$ 107 sq.; Pradier- 
Fod&rc6, Traite $$ 354 sq.; J. St. Mill, A few words on Non-Intervention (1859): Kebedgy, 
De l’intervention (1890); Carnazza-Amari R. V; Engelhardt, ebenda Xll; Brocher, 
ebenda XXVI; Flocckher, Les consöquences de l'intervention in der RG III 329 sq.; 
Feraud-Giraud, La rcconnaissance de belligeranee dans les gucerres civiles in der eben 
zitierten Revue 11I p. 285, 255. Vgl. schon hier auch Desjardins in der cben zitierten 
Revuc III p. 137 sq. (La doctrine de Monroe), insbesondere die daselbst angeführte Depesche 
des Lord Salisbury vom 26. November 1895 im Venezuclagrenzstreit p. 152; de Olivart, 
Differend entre l’Espagne et Jes Etats-Unis au sujet de la question Cubaine in der zitierten 
Revuc 1V p. 577 sq. (mit näheren Literaturangaben über die kubanische Angelegenheit S. 577
	        
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