Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

462 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung ete. S 165. 
  
einer Friedensblokade, Krieg) kann notwendig werden, wenn der Akt der Intervention 
wirkungslos bleibt.) Die Idee der Intervention hängt jedenfalls mit dem Gedanken zu- 
sammen, daß sie schon für sich allein als wirksames Mittel erwünschter Beseitigung von In- 
teressenkollisionen fungiere und daß der Ernst des gebieterischen Auftretens des Intervenienten, 
der eventuell zur Anwendung physischen Zwanges entschlossen ist, die Anwendung gerade 
dieses Zwanges entbehrlich mache. 
Die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Intervention muß an 
die möglichen Interessenkollisionen anknüpfen. Gerade darin aber liegt die Schwierigkeit 
der Beantwortung und erklärt es sich, daß es bisher nicht gelungen ist, die Gründe zulässiger 
Intervention zu formulieren. Jedenfalls muß der Kreis der Fälle zulässiger Intervention schr 
enge gezogen werden, da es sich ja hier um einen exzeptionellen Eingriff in die Unabhängıg- 
keit eines Staates handelt, ein solcher Eingriff also nur im Hinblick auf die Gefährdung der 
wichtigsten Interessen stattfinden kann, für die Beantwortung der Frage aber, ob betreffende 
Interessen wichtig genug sind, um jenen Eingriff zu rechtfertigen, ein objektiver Maßstab 
fehlt. Juristische und historische Kritik haben zu meist widersprechenden Urteilen über vor- 
gekommene Interventionsfälle geführt; politische Meinungen haben eine gleichmäßige Be- 
urteilung betreffender Fälle vielfach von vornherein ausgeschlossen. So gestaltete sich zu 
einer viel umstrittenen Frage zulässiger Intervention z. B. die Aktion der Alliierten gegen 
das revolutionäre Frankreich.2) An diese Aktion schloß sich bekanntlich in weiterer Ent- 
wicklung der Ereignisse in den ersten drei Dezennien des 19. Jahrhunderts (seit dem Aachener 
Kongreß 1818) jenes politische System Österreichs, Preußens und Rußlands, dem zufolge sich 
die genannten Mächte das Recht vindizierten, zu intervenieren, wenn durch innere Umwäl- 
zungen eine Regierungsform oder solche politische Grundsätze nach Geltung strebten, welche 
ihnen als eine Bedrohung des monarchischen Prinzips und der Legitimität erschienen. Der 
Grundgedanko dieses Systems wurde von Metternich in der Zirkulardepesche vom 12. Mai 
1821 (nach dem Laibacher Kongresse) zum Ausdruck gebracht?). Hiernach wırd der mit der 
Selbständigkeit jeder nationalen Rechtsordnung gegebene Grundsatz, daß staatsrechtliche Um- 
gestaltungen eines Gemeinwesens eben nur von dem Staatsrecht dieses Gemeinwesens be- 
stimmt sein können, ignoriert und ein dem Staatsrecht angehörender Rechtssatz willkürlich 
als völkerrechtliche Norm hingestellt, um im Wege der Intervention anderen Staaten be- 
stimmte politische Maximen aufzunötigen. Im Gegensatze zu diesem System erblicken die 
heutige Praxis und Doktrin in den staatsrechtlichen Umgestaltungen eines Staates, die von 
anderen politischen Maximen beherrscht sind, als die staatsrechtliche Ordnung anderer Staaten, 
insolange keinen Grund zur Intervention, als nicht die eigenen Institutionen durch eine 
aggressive Propaganda einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt sind. Indessen wird die Be- 
antwortung dieser Frage, die eine reine Tatfrage ist, nicht selten Schwierigkeiten begegnen. 
Vorgänge in einem Staat, welche die Grundlagen der internationalen Gemeinschaft und dadurelı 
mittelbar die Sicherheit der Mitglieder dieser Gemeinschaft berühren ız. B. die Erklärung 
Lamartine’s im Jahre 1848, daß die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815 für die 
französische Republik nicht mehr bindend seien), rechtfertigen eine Intervention der Mächte 
tale Kollektivintervention). — In Fällen religiöser Bedrückung der Untertanen eines Staates 
1) Vgl. Geffcken, HH II 133. Vgl. auch Heilborn, System 364. 
2) Interessante Aufschlüsse über die Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der 
Intervention der Mächte bringt die 1897 von Descostes herausgegebene Korrespondenz von 
Mallet du Pan. 
3) Mit Recht bemorkt Heilborn, System 357: „Formell hat die heilige Allianz (die 
Freiheit der Staaten) nicht negiert; sie hat sie theoretisch unter der Bedingung anerkannt, 
daß sie von der ‚legitimen‘ gesetzgebenden Gewalt ausgeübt werde, daß die letztere bei Er- 
greifung ihrer Maßnahmen unabhängig sei.“ Tatsächlich aber „hat sie die Freiheit der 
Staaten untergraben.*“ — Näheres über das Vorgehen und die Meinungsgegensätze der Mächte 
in Fragen der Interventionspolitik jener Epoche siehe bei Geffeken, AH IIS. 141 ff. Siehe 
auch Rivier, Principes I p. 39$ sq. 
 
	        
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