& 172. Maßregeln aus Anlaß des Beginns des Kriegszustandes. 473
noten, Publikationen auf amtlichem Wege im eigenen Staate vor. Für den
Kriegsbeginn hat nach neuerer Übung auch die Erlassung eines sog. Ulti-
matums (verbunden mit der Abberufung der diplomatischen Mission) die Be-
deutung einer eventuellen Kriegserklärung. Das Ultimatum ist ein letzter
Vorschlag des verletzten oder sich als verletzt behauptenden Staates an den
Gegner; es wird darin die Forderung gestellt, binnen einer bestimmten Frist
sich zu äußern. Das Nichteintreffen einer Antwort bezw. einer nicht befrie-
digenden Antwort bedeutet den Eintritt der Bedingung, welcher dem Ab-
sender des Ultimatums nunmehr die Freiheit der Aktion gegen den anderen
Teil gibt.
III. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß zwingende Gründe vorliegen,
das, was in alter Zeit unter dem Einfluß sittlicher Anschauungen üblich war
und bis in die Neuzeit in einzelnen Fällen geübt wurde, heute durch einen
Kollektivakt der Mächte zu einem Rechtsinstitut zu gestalten. Außer den
oben angeführten Erwägungen dürften auch gewisse Forderungen der Loyalität
hier nicht unberücksichtigt bleiben. Das Institut für internationales Recht
hat die Überzeugung ausgesprochen, daß der gegenwärtige Rechtszustand an
einer empfindlichen Unsicherheit leidet und daß es Aufgabe der Weiterbildung
des Völkerrechts ist, diesen Zustand zu beseitigen !). Dies geschah durch das
III. Abkommen der HK 1907, das von der Erwägung ausgeht, daß es für die
Sicherheit der friedlichen Beziehungen von Wert ist, wenn die Feindseligkeiten
nicht ohne vorausgehende Benachrichtigung beginnen, wenn ferner der Kriegszu-
stand unverzüglich den neutralen Mächten angezeigt wird und zu diesem Zwecke
ein universelles Abkommen zustande kommt. Demgemäß wird von den Ver-
tragsmächten der Grundsatz ausgesprochen, daß unter ihnen die Feindselig-
keiten ohne eine unzweideutige Benachrichtigung in der Form einer mit
Gründen versehenen Kriegserklärung oder eines Ultimatums mit
bedingter Kriegserklärung nicht beginnen dürfen; der Kriegszustand
ist den Neutralen anzuzeigen und für diese erst nach Eingang der (auch
telegraphischen) Anzeige wirksam. Eine Berufung auf das Ausbleiben der
Anzeige ist ausgeschlossen, wenn feststeht, daß die neutrale Macht den Kriegs-
zustand tatsächlich gekannt hat. Diese Bestimmungen sind nur wirksam
für die Belligerenten und Neutralen, die an dem Abschluß des Abkommens als
Vertragsmächte beteiligt sind. Der Beitritt ist vorbehalten. Die Kündigung
ist nur in Ansehung der Macht wirksam, die sie erklärt hat.
$ 172. Maßregeln aus Anlaß des Beginns des Kriegszustandes. Mit
dem Kriegsbeginn wird eine Reihe von Maßregeln notwendig; hinsichtlich der
eigenen Untertanen kommen vor: Dehortatorien, d. h. allgemeine Ab-
mahnungen unter Strafandrohung, sich mit dem Feinde in Verbindungen
u. dergl. einzulassen; Inhibitorien, d. h. Verbote bestimmter Handlungen
oder Geschäfte mit dem feindlichen Staate oder seinen Untertanen, z. B. des
Verbots der Lieferung von Waifen, der Ausfuhr von Pferden u. dergl.; Avo-
1) 8. Annuaire XXI, 26%. Vgl. auch meine Abh. in Z XV1, 563 und Jahrb, f. öff.
R. 1, 118.