Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

482 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung ete. $ 178 
  
  
für die Beerdigung von Kriegsgefangenen, wobei deren Dienstgrad und Rang 
zu berücksichtigen ist. 
Humane Rücksicht finden die religiösen Bedürfnisse der Gefangenen durch den Grund- 
satz des Art. 18: In den Grenzen der Ordnungs- und Polizeivorschriften der Militärbehörtde 
wird den Kriegsgefangenen in der Ausübung ihrer Religion und in der Teilnahme am Gottes- 
dienste volle Freiheit gelassen. 
IV. Der humane Standpunkt des heutigen Rechts kommt in der in Art. 14 HER 
vorgeschriebenen Errichtung einer Auskunftstelle über die Kriegsgefangenen zum 
Ausdruck. Diese Auskunftstellen, die gegebenenfalls auch in jenen neutralen Staaten, die 
Angehörige der Kriegsparteıen in ihr Gebiet aufgenommen haben, gebildet werden, sammeln alle 
auf die Gefangenen bezüglichen Nachrichten, beantworten alle Anfragen; um ihnen die Erfül- 
lung ihrer Aufgabe in jeder Richtung zu sichern, erhalten sie von den zuständigen Dienststellen 
die nötigen Informationen. Die Auskunftstelle sammelt auch alle zum persönlichen Gebrauch 
dienenden Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf den Schlachtfeldern gefunden oder 
von den in Krankenhäusern usw. gestorbenen Kriegsgefangenen hinterlassen werden und 
stellt sie den Berechtigten zu. 
Den Hilfsgesellschaften für Kriegsgefangene, die ordnungsmäßig nach den 
Gesetzen ihres Landes gebildet sind, ist eine Reihe von Erleichterungen im Interesse ilırer 
charitativen Wirksamkeit eingeräunit, so z. B. Portofreiheit, Befreiung von Eingangszöllen, 
Gebühren sowie von Frachtkosten auf Staatseisenbahnen (Art. 15, 16). 
V. Die Regierung des Nehmestaats hat für den Unterhalt der Gefangenen zu sorgen 
(Art. 74); dies geschieht in der Regel auf demselben Fuße wie für die Angehörigen des 
eigenen Heeres. Zur Deckung dieser Kosten kann ein Teil des Arbeitsverdienstes der Ge- 
fangenen verwendet werden. Die Gefangenen dürfen nicht zu gesundheitsschädlichen oder 
solchen Arbeiten verwendet werden, welche die militärischen Operationen gegen ihren Staat 
zu unterstützen bestimmt sind (Art. 6); so insbesondere nicht zur Spionage. ') 
VI. Kriegsgefangene können auf Ehrenwort freigelassen werden; die dabei übernom- 
menen Verpflichtungen (Art. 12) haben sie bei ihrer persönlichen Ehre sowohl gegenüber 
ihrer eigenen Regierung, als auch dem Nehmestaate gegenüber gewissenhaft zu erfüllen 
(Art. 10); ihre Regierung ist gleichfalls verpfichtet, keinerlei Dienste zu verlangen oder an- 
zunehmen, die dem gegebenen Ehrenworte widersprechen. — Eine Pflicht zur Annahme der 
Entlassung auf Ehrenwort ist nicht anerkannt; ebensowenig eine Pflicht des Nehniestaats, 
auf die Bitte eines Gefangenen hin die Entlassung auf Ehrenwort zu bewilligen (Art. 11). — 
Der Bruch des Ehrenworts wird bestraft (Art. 12). 
VII. Gegen Gefangene, die zu entfliehen suchen, kann von der Waffe Gebrauch ge- 
macht werden. Wird der Flüchtige ergriffen, so verfällt er disziplinarischer Bestrafung. Aber- 
malige Gefangennahme nach gelungener Flucht berechtigt nicht zur Bestrafung wegen der 
früheren Entweichung. 
VIII. Die Gefangenschaft endigt mit dem Friedensschluß (Art. 20). Während des Krieges 
kann die Gefangenschaft endigen auf Grund von Auswechselungskartellen zwischen den Krieg- 
führenden. Derlei Verträge können aber nicht auf Deserteure des feindlichen Heeres nnd 
Überläufer, die zu Gefangenen gemacht wurden, angewendet werden. 
$ 178. Die Verwundeten und Kranken 2. I. Die verwundeten und 
kranken Krieger sind nicht Objekt feindlicher Behandlung. Diesen Personen 
  
1) Die Landesgesetze regeln vielfach die Behandlung der Kriegsgefangenen; so ist be- 
sonders beachtenswert das französische Gesetz v. 21. März 1993, abgedruckt in RG I (Docu- 
ments S 10). 
2) Lueder, HH IV S. 30$ ff.; Desselben gekrönte Preisschrift: Die Genfer Konven- 
tion“ (1576); Moynier, Etude sur la convention de Geneve (1870); Dersolbe, La croix rouge, 
sun pass& et son avenir (1852); Ders., Consid6rations sur la sanction p6enale & donner & la 
Conv. de Geneve (1593); Ders., La revision de la Convention de Gen®ve (1899); Ders., La 
fondation de la croix rouge (1903); v. Roszkowski, R XXXIV 199, 299, 442; Gurlt, Zur
	        
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