Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

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und Mißhandlung konnte nicht formuliert werden; dagegen werden die Belligerenten ver- 
pflichtet, entsprechende Maßregeln zu ergreifen. Art. 3, Abs. 1 dehnt diesen Schutz auch auf 
gefallene Krieger aus; ferner ist für die Beerdigung und Feststellung des Todes der Ge- 
fallenen gesorgt. Die Funktionen der Auskunftstellen (Art. 14 der HKR) regelt Art. 2, 
Abs. 4. — Nach Art 5, Abs. 3, Konv. 1564, sollte der in einem Privatbause aufgenommene 
Verwundete dem Hause zum Schutze dienen, und die Einwohner von Truppeneinquartierung 
usw. verschont werden. Eine derartige Bestimmung, so wohlgemeint sie sein mag, ist jedoch 
bedenklich. Man wählte daher einen Mittelweg (Art. 5), auf dem die charitative Tätigkeit 
in den Dienst der Fürsorge gestellt und gleichzeitig Mißbräuchen vorgebeugt werden kann. 
2. Die Sanitätsanstalten (Art. 6—8). Die Konvention unterscheidet die sachlichen 
Schutzobjekte in formations sanitaires mobiles (c’est-ä-dire celles qui sont destinees 
a accompagner les arm&es en campagne) und etablissements fixes (du service de sante). 
Diese Objekte dürfen während des Kampfes nicht Gewalthandlungen ausgesetzt werden; 
nach dem Kampfe hat der Feind sie zu schützen. Die Einschränkung dieses Schutzes 
im Art. 1, Abs. 1, Konv. 1864, auf die Zeit, als sich Kranke in den Ambulanzen usw. 
befinden, ist wohl kaum vereinbar mit dem Zweck des Schutzes, der hier gewährleistet 
werden will. Der leitende Gedanke muß vielmehr der sein, daß die Sanitätseinrichtungen 
beider Belligerenten ihrem Zwecke nicht entzogen werden sollen. Selbstverständlich ist 
aber die Voraussetzung, daß Ambulanzen usw. nicht zu feindlichen Zwecken mißbraucht werden. 
3. Das Personal. Die Verschiedenheit der Organisation des nationalen Sanitäts- 
dienstes schließt eine erschöpfende Aufzählung der Personen oder Persunenkategorien, die 
mit der Pflege der Verwundeten betraut sind, aus. Die Konferenz entschied sich daher für 
eine allgemeine Formel, unter welche alle jene Personen subsumierbar sind, die im Sinne der 
Konvention Anspruch auf Unverletzlichkeit und Schutz erheben können. 
Eine wichtige Aufgabe erwuchs der Konferenz bezüglich der Gesellschaften für 
freiwillige Krankenpflege im Kriege. In der Konv. 1864 findet die freiwillige 
Krankenpflege keine Erwähnung, obwohl die Konvention ihre Entstehung gerade der auf 
Schaffung einer freiwilligen Krankenpflege im Kriege gerichteten Agitation Dunants und 
seiner Freunde verdankt. In der Tat wurden noch vor der Unterzeichnung der Konvention 
in verschiedenen Staaten Gesellschaften des roten Kreuzes gegründet, welche sich die 
Aufgabe setzten, in Friedenszeiten Hilfsmittel für den Kriegsfall herbeizuschaffen und für ein 
geschultes Personal zur Pflege der Verwundeten und Kranken Vorsorge zu treffen. Indessen, 
zur Zeit des Abschlusses der Konvention fehlten noch Erfahrungen darüber, ob und wie sich 
die charitative Einrichtung entwickeln und bewähren werde; man zögerte daher, den betreffen- 
den Gesellschaften für den Kriegsfall eine völkerrechtlich privilegierte Stellung einzuräumen. 
Seit dem Jalıre 1864 hat diese werktätige Beteiligung von Privatpersonen in allen Kultur- 
staaten Fortschritte gemacht; die Erfahrungen sind in der Hauptsache von der Art, daß auch 
den freiwilligen Pflegern unter gewissen Voraussetzungen der bisher nur dem staat- 
lichem Sanitätspersonal rechtlich zukommende Schutz zugestanden werden kann, zumal er- 
fahrungsgemäß die Hilfe des offiziellen Personals und das Sanitätsmaterial, über welches die 
Kriegsführenden verfügen, nicht immer zureichend ist und der humane Gedanke, der heute 
die ganze Materie beherrscht, offenbar darauf gerichtet sein muß, im Dienste charitativer 
Wirksamkeit allen Kräften und Mitteln, die zur Verfügung stehen, die Möglichkeit segens- 
reicher Bestätigung zu eröffnen. Dabei ist es selbstverstäudlich, daß diese Pflege charitativer 
Zwecke praktisch durchaus ın Einklang gebracht werden muß mit den Interessen der Bellige- 
renten. — Die Voraussetzung der Gewährung des Konventionsschutzes ist die 
Unterordnung der betreffenden Vereine und Gesellschaften unter die staat- 
liche Heeresleitung, femer ein fester Anschluß der freiwilligen Kranken- 
pflege an die staatliche Organisation des Sanitätspersonals. In diesem Sinne 
hat insbesondere die preußische Sanitätsordnung vom 10. Januar 1575 die Weiterbildung 
des Grundgedankens der Genfer Konvention gefördert. 
Unter den bezeichneten Voraussetzungen und Kautelen ist nun schon bisher tatsäch- 
lich den betreffenden Gesellschaften der Konventionsschutz zugestanden worden. Die Revi- 
sion der Genfer Konvention hat nur den Anlaß gegeben, die bisher tatsächlich anerkannte
	        
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