Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

300 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. & 181. 
  
vor durch die einheimischen Gerichte stattfinde. Im Falle der Weigerung, 
Recht zu sprechen, wird der Okkupant andere Richter einsetzen; der Okku- 
pant ist auch berechtigt, Kriegsgerichte einzusetzen. — Dem Interesse der 
Bevölkerung entspricht es, daß die Verwaltungsbeamten im Dienste verbleiben; 
gleichwohl dürfte auch hier ein Zwang zum Verbleiben ausgeschlossen sein, 
und das der Verpflichtung der Bevölkerung zum Gehorsam gegen den Okku- 
panten entnommene Argument gegenüber den Beamten bezüglich des Ver- 
bleibens im Amte nicht zutreffen., Allerdings können Privatpersonen von 
dem Okkupanten zur Teilnahme an der Lokalverwaltung eventuell gezwungen 
werden; die amtliche und disziplinare Stellung der schon angestellten Staats- 
und der Kommunalbeamten ist doch eine so singuläre, daß es nicht angeht, beide 
Kategorien von Personen gleich zu behandeln. 
Der Grundsatz, daß die Okkupation die vorhandene Rechtsordnung un- 
berührt läßt, kann infolge der Kriegsnotwendigkeit Modifikationen erfahren; 
es kann die Suspension oder Beschränkung einzelner verfassungsmäßiger Rechte 
und Freiheiten verfügt, es können mit Rücksicht auf den Kriegszweck not- 
wendige Gesetze erlassen werden. Für Kriegsverbrechen, Kriegsverrat und 
Kriegsrebellion tritt das Kriegsstrafrecht in Geltung. Die Anwendung des 
Kriegsstrafrechts und die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit durch Kriegs- 
gerichte müssen den heute geltenden Fundamentalsätzen des materiellen und 
formellen Strafrechts der zivilisierten Völker entsprechen. 
Innerhalb der Finanzverwaltung ist der Okkupant in der Regel nur 
berechtigt, nach Maßgabe der bestehenden Steuer- und Finanzgesetze Steuern 
und Abgaben einzuheben; das Kriegsbedürfnis kann auch hier Modifikationen 
des Grundsatzes zur Folge haben. (Vgl. Art. 49.) Die eingehenden Steuern 
usw. sind zunächst für die Zwecke der Verwaltung zu verwenden (Art. 48.). 
Die Ueberschüsse sind Gegenstand der Aneignung. Dem Okkupanten steht eine 
rechtliche Disposition über die Substanz des Staatsvermögens (öffentliche Gebäude, 
Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftliche Anlagen) nicht zu; er hat, nach 
den Regeln des Nießbrauchs, für die rationelle Verwaltung zu sorgen (Art. 55), 
soweit nicht die kriegerischen Bedürfnisse einen der regelmäßigen Ver- 
waltung nicht entsprechenden Eingriff nötig machen. 
Eine hervorragende Rolle in der Verwaltung des okkupierten Gebietes 
kommt den Verkehrsmitteln zu. Der Okkupant regelt und überwacht den 
Betrieb und ist berechtigt, sämtliche Verkehrsanstalten (Staats- und Privat- 
anstalten) zu benutzen. Der Kriegszustand läßt natürlich das Interesse des 
Okkupanten gegenüber dem in Friedenszeiten allein maßgebenden Interesse 
des allgemeinen (Binnen- und Auslandsverkelrs) als das primäre erscheinen; 
indessen wird es die Aufgabe einer humanen Kriegführung sein, ihr Interesse 
immer nur in den Grenzen des Notwendigen zur Geltung zu bringen. Der 
Betrieb der Eisenbahnen erfolgt in erster Reilie durch die im Dienste stehenden 
einheimischen Beamten unter Leitung und Ueberwachung von Organen der 
t) Art. 7 der Brüsseler Deklaration schließt den Zwang aus. Vgl. auch Loening 
R. IV p. 687 54.
	        
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