Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

8 156. Fortsetzung. Waffenruhe und Waffenstillstand. 503 
  
Bedingungen des Weaffenstillstandes festzusetzen, welche Beziehungen sie auf 
dem Kriegszchauplatz unter einander und mit der Bevölkerung unterhalten 
können (Art. 39). Der allgemeine Waffenstillstand dient in der Regel der 
Einleitung der Friedensverhandlungen. 
II. Dieser Umstand bewirkt, daß dieser Vertrag in der Regel von den 
obersten Organen der beteiligten Staaten abgeschlossen wird, daher im Falle 
der Verhandlungen durch Bevollmächtigte ratifiziert werden muß; ferner bildet 
die schriftliche Form der Abschließung die Regel. Fehlt eine genaue Fest- 
setzung der Rechte und Pflichten der Kontrahenten, so ist die Natur der 
Sache entscheidend; hiernach wären beide Teile zur Erhaltung des status 
quo verpflichtet. Darin liegt nun keineswegs die Forderung absoluter 
Passivität des Verhaltens; die Fortdauer des Kriegszustandes und die Mög- 
lichkeit der Wiederaufnahme der Kriegsoperationen lassen vielmehr eine Reihe 
von Handlungen im Interesse der Kriegführenden als erlaubt erscheinen, z. B. 
die Einberufung und Einübung frischer Streitkräfte, die Ausrüstung von 
Schiffen, die Herstellung von Waffen und Munition usw.!) Dem Ermessen 
des Belagernden muß es vorbehalten bleiben, ob und in welchem Umfange 
die Verproviantierung einer belagerten Festung stattfinden darf. In der 
Praxis wird gewöhnlich eine sog. Demarkationslinie vereinbart; sie bezeichnet 
die Grenze, innerhalb welcher jeder Kriegsteil jene Handlungen vornehmen 
darf, welche der Gegner im Falle des Fortgangs der Feindseligkeiten nicht 
hindern könnte. 
III. Streitig war die Frage, ob im Falle des Bruchs des Vertrages 
von der einen Seite die andere sofort die Feindseligkeiten wieder eröffnen 
dürfe, oder den Vertrag kündigen müsse. Für ein absolutes Kündigungsgebot 
sind keine zureichenden Gründe vorhanden. Die Frage ist derzeit durch 
Art. 40 entschieden; eine schwere Verletzung der Bedingungen des 
Waffenstillstands gibt der anderen Partei das Recht, den Waffenstillstand zu 
kündigen, in dringenden Fällen das Recht, die Feindseligkeiten wieder 
aufzunehmen. Ausgeschlossen ist die Wiederaufnahme der Operationen, (unter 
der Voraussetzung, daß nicht die den Bruch des Waffenstillstanudes bildende 
Handlung sofortige Gegenwehr nötig macht) wenn für den Fall eines Bruches 
des Waffenstillstandes eine Strafe vereinbart worden ist. — Verletzungen 
des Waffenstillstands durch Angehörige der Kriegsparteien und Privatpersonen, 
die aus eigenem Antriebe handeln, verpflichten den Staat, den Urheber der 
Verletzung zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen, und zum Ersatz 
des dem Gegner verursachten Schadens bezw. zur Rückgabe des Genommenen.?) 
Eine Verletzung des Waffenstillstands liegt nicht vor, wenn einzelne Heeres- 
abteilungen militärische Operationen oder sonstige Kriegshandlungen vor- 
  
1) Im Einzelnen herrscht Meinungsverschiedenheit, so z. B. bezüglich der Frage, ob 
feste Plätze durch Ausbau oder Ausfüllung gelegter Breschen verstärkt werden dürfen. Für 
die Verneinung der Frage die Praxis. Vgl. im ganzen Lueder, HH IV S. 536, 537 und 
Anm. 32ff. zu $ 120. 
2) Art. 41 spricht nur von Privatpersonen, ist aber zweifellos auch auf Angehörige der 
Kriegsparteien zu beziehen. Näheres bei A. Zorn 206.
	        
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