Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

506 Achtes Buch- Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. 8 187. 
  
zum Jahre 1815 wurde von der Kaperei ein ebenso intensiver wie willkürlicher Gebrauch 
gemacht. Ein Fortschritt ist für das 19. Jahrhundert lediglich in der Richtung zu verzeichnen, 
daß sich eine Summe von Rechtsregeln über die Verwendung und das Verhalten der Kaper 
ausgebildet hat!) und die Erteilung von Kaperbriefen bei den europäischen Großmächten seit 
1815 außer Übung kam. Diese Praxis wurde in der oben besprochenen Seerechtsdeklaration 
vom Jahre 1856 von der überwiegenden Mehrzahl der Mächte durch förmliche Abolition der 
Kaperei zu einem Grundsatz des heutigen Scekriegsrechts erhoben. 
III. Die Beseitigung der Kaperei legte seither den Gedanken nahe, eine 
Verstärkung der offiziellen Seestreitkräfte in einer den Grundsatz 
der Abschaffung der Kaperei nicht umgehenden Weise herbeizuführen. Keine 
Umgehung des Verbots der Kaperei liegt in der Einrichtung der freiwilligen 
Flotten, wenn dieBeteiligung solcher Privatschiffe außer der staatlichen 
Autorisation auch auf militärischer Organisation beruht, derlei 
Schiffe also der offiziellen Flotte eingereiht sind und sie ihre rechtliche Stellung 
nicht willkürlich wechseln 2). 
Das Bedürfnis eventueller Verstärkung der Seestreitkräfte kam aber in 
neuerer Zeit noch darin zum Ausdruck, daß einzelne Mächte (Frankreich, 
England 1887, die nordamerikanische Union u. a.)3) mit betreffenden Schiff- 
fahrtsgesellschaften Abkommen über die Einreihung von Schiffen der Handels- 
marine, ja selbst über die bauliche Anlage solcher Schiffe für die eventuelle 
Umwandlung in Kriegsschiffe, getroffen haben. An diese Erscheinungen der 
Praxis hat die HK 1907 zum Zwecke der Regelung dieser Frage an- 
geknüpft. Das Recht der Kriegführenden zur Einreihung von Schiffen der 
Handelsmarine in die Kriegsflotte wurde allseitig anerkannt. Bezüglich der 
Bedingungen der Anwendung dieser Maßregel handelte es sich vornehm- 
lich um Kautelen, welche die neutrale Schiffahrt vor Überraschungen bewahren 
und die Gefahr des Wiederauflebens der Kaperei verhüten. So führten die ein- 
schlägigen Erwägungen zur Erörterung der Frage nach dem Orte der Um- 
wandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe, insbesondere der Frage, ob 
die Umwandlung nur in den nationalen oder okkupierten Häfen der Krieg- 
führenden oder auch auf hoher See sich vollziehen dürfe ?ı. 
1) Siehe die Übersicht dieser Regeln bei Geffeken, HH IV S. 557, 556; Leroy,l.c. 
2) Im russisch-japanischen Kriege hatten ‚zwei Schiffe („Petersburg“ und „Smolensk*) 
der im Schwarzen Mcere stationierten russischen freiwilligen Flotte unter ihrer Handelsflagge 
die Dardanellen und den Suezkanal passiert und sich hierauf durch Hissung der russischen 
Kriegsflagge in Kriegsschiffe verwandelt; alsbald wurde von einem der beiden Schiffe der 
englische Dampfer „Malacca“ wegen Verdachts der Zufuhr von Kontrebande angehalten 
und nach Libau eskortiert. Auf Reklamation Englands wurde das Schiff freigegeben und die 
russische Regierung verfügte, daß jene beiden Schiffe nicht weiter als Kreuzer in Aktion 
treten durften. 
3) Vgl. Dupuis, Le droit de la guerre maritime d’apr&s les doctrines Anglaises con- 
temporaines (1699) Nr. 86—858. 
4) Gegen die Umwandlung auf hoher See wurde (von England, Holland) geltend ge- 
macht, daß cs sich um einen Hoheitsakt handelt, der auf hoher Seo unzulässig sei und daß 
Überraschungen der Neutralen nicht zu vermeiden wären; anderseits wurde (seitens Deutsch- 
lands, Österreich-Ungarns, Frankreichs und Rußlands) geltend gemacht, daß derlei Hoheitsakte 
den nationalen Schiffen gegenüber auch auf hoher See zulässig seien und die Interessen der 
Neutralen durch sorgfältige Formulierung der Kautelen geschützt werden könnten.
	        
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