508 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. $ 157.
mittels als unzulässig erscheint. Indessen, die Frage nach dem Umfang der Zulässigkeit dieses
Kriegsmittels löst sich von dieser örtlichen Unterscheidung ab und kompliziert sich in mehr-
facher Richtung. Ist die Anwendung von Torpedos als Angriffswaffe in offener See zulässig,
so wird die Verwendung von unterseeischen Minen in offener See nicht schlechthin abgelehnt
werden können, denn die offene See dient als Operationsfeld im Seekrieg und die in den
Eigengewässern beginnende Operation kann in die offene See ausgedehnt werden. Die
konkurrierenden Interessen der Neutralen gebieten jedoch Vorsichten und schaffen rechtliche
Verantwortlichkeit für verursachten Schaden. Auch die Verwendung von Minen in den Eigen-
gewässern kompliziert die Frage und zwar vor allem im Hinblick auf die Freiheit des Verkehrs
der Angehörigen neutraler Staaten mit den beiden Kriegsteilen. Im ganzen gewinnt aber
sofort die technische Verschiedenheit der Minen Bedeutung. Ursprünglich (Verteidigung des
Kieler Hafens i. J. 1848 durch Walter Siemens) wurden unterseeische Minen verwendet,
die vom Ufer aus (mittelst galvanischen Stromes) in Tätigkeit versetzt werden konnten: sog.
abhängige oder Beobachtungsminen, deren Verwendung so eingerichtet werden kann,
daß die Wirkung der Detonation nur an dem feindlichen Objekt eintritt und — wenigstens
regelmäßig — eine Gefahr für neutrale Schiffe vermieden werden kann. Seither fanden aber
auch sog. unabhängige oder Kontaktminen Verwendung, die sich selbsttätig entzünden,
sobald ein Schiff gegen sie stößt. Diese Kontaktminen werden entweder als Treibminen
(mincs flottantes) !J, unverankerte selbsttätige Kontaktminen oder als verankerte Kontakt-
minen verwendet. Die Gefahren für die Schiffahrt entstehen im höchsten Maße infolge der
Legung von Treibminen in offener Sce und Eigengewässern, da ihre verheerende Wirksamkeit
weder in örtlicher noch in zeitlicher Beziehung berechnet und beherrscht werden kann; die
gleiche Gefahr entsteht aber auch durch die Legung verankerter Minen, die sich infolge der
Einwirkung von Wind und Wellen von ihrem Stützpunkt loslösen und in offener See als
Treibminen Unheil verursachen können. Es ist daher im Hinblick auf die Freiheit der offenen
See bezw. das allen Nativunen zustehende Recht der Benutzung dieses allgemeinen Verkehrs-
gebietes unumgänglich notwendig, daß das Recht der Kriegführenden, von derlei Kriegsmitteln
Gebrauch zu machen, eine rechtliche Beschränkung erfahre. Die Meinungen gehen aller-
dings stark auseinander. Einige wollen das Legen von Minen in offener See den Kriegführenden
ohne Einschränkung einräumen ?); sie gehen insbesondere davon aus, daß die offene Sce zum
Kriegsschauplatz im Scekriege gehört. Andere berücksichtigen die Gefahr für dic neutrale
Schiffahrt glauben aber trotzdem ein Verbot des Legens von Minen in offener See nicht be-
fürworten zu können. Andere endlich sprechen sich für ein derartiges Verbot rückhaltlos aus).
In der Tat wäre bei schrankenloser Zulässigkeit der Legung von Minen die Freiheit des
Meeres nicht bloß während des Krieges, sondern auch nach dessen Beendigung durchaus
prekär, da derlei unsichtbare Minen regelmäßig nicht unschädlich gemacht werden können,
ferner beschränkt sich die Gefahr nicht. auf den Teil der offenen Sce, wo die Operationen
stattfinden, da derlei Minen in den entferntesten Teilen des Meeres auftauchen können. Dazu
kommt eine Reihe von Argumenten, die aus dem Unistande abzuleiten sind, daß der Krieg
ein Ausnahmezustand ist, daher der Schutz der Neutralen in erhöhtem Maße Berücksichtigung
finden muß. — Die Frage ist jedoch von gleicher Wichtigkeit auch für die Anwenduug
solcher Mittel in den Eigengewässern der Kriegführenden und der Neutralen;
1) Solehe wurden im nordam. Sezessionskrieg verwendet.
2) So Schücking Z.XVI, 121, v. Liszt $40, I; Liepmann, Festgabe zum XXVII.
D. Juristentag (1906) 148 ff.
3) So u. a. Holland, Maritime War 7,8; Lawrence, War und Neutrality in far East
(1904) sq.; Nys III, 250 sq.; Oppenheim I, $ 182 (s. auch dessen Vorschläge 1. c. p. 192.
v. Martitz in s. Ref. in der Session 1906 der Intern. Law Association (Berlin) erklärt es für
völkerrechtswidrig „Seeminen auszuwerfen, welche geeignet sind, auch außerhalb des maritimen
Kampffeldes und außer der Kampfzeit die Schiffahrt zu schädigen und zu hemmen.“
v. Martitz kommt zu dem Schluße, daß insbesondere Treibminen aus den Kriegsmitteln des
Scekriegs auszuschließen sind (S. 61 des Ref.‘, wobei aber auf die technische Möglichkeit,
solche Minen binnen bestimmbarer Zeit unschädlich zu machen, Rücksicht zu nehmen wäre.