Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

514 Achtes Buch. Die intern. Streitigkeiten u. deren Erledigung etc. 8 190. 
  
Schiff zerstört werden !); in derlei Fällen ist aber die Schonung der Besatzung 
des Schiffes nicht bloß Gesetz der Humanität, da die feindliche Handlung im 
ganzen nur gegen das Schiff bezw. die Ladung als die legitimen Objekte der 
Wegnahme gerichtet ist. Über die Rechtmäßigkeit der Prise muß aber auch 
in solchen Fällen entschieden werden. Ergeht ein freisprechendes Urteil, so 
muß voller Schadenersatz geleistet werden. Geht die Prise ohne Verschulden 
des Nehmers verloren, so ist auch im Falle nachträglicher Freisprechung durch 
das Prisengericht kein Schadenersatz (auch nicht an die neutralen Eigentümer 
der Ladung) zu leisten. 2) 
Die Aufbringung eines feindlichen Schiffes bewirkt nach heutigem Völker- 
recht noch nicht den Erwerb zum Eigentum; der Eintritt dieser rechtlichen 
Wirkung ist vielmehr bedingt durch ein geordnetes Verfahren vor dem kom- 
petenten Prisengericht und ein rechtskräftiges Urteil, welches dem Nehmestaat 
das Eigentum an der Prise zuerkennt. Der Eintritt dieser Wirkung kann 
aber (abgesehen von Fällen, in denen die Voraussetzungen einer verurteilenden 
Sentenz nicht gegeben sind) teils mit dem Willen des Nehmers, teils gegen 
dessen Willen ausgeschlossen sein; ersteres im Falle des Loskaufs des Schiffes 
(ransom, ranconner), letzteres im Falle der Wiedernahme (reprise, rescousse, 
recousse).?2) Das in Beschlag genommene Schiff kann sich loskaufen, und 
zwar bevor es in den Hafen gebracht, oder im Hafen, bevor es verurteilt ist. 
Mehrere Seestaaten halten übrigens an der Regel fest, daß über die Recht- 
mäßigkeit der Prise ein Gericht entscheiden soll und verbieten den Loskauf. 
Im Falle des Loskaufs muß das Schiff seinen Kurs einhalten, widrigenfalls 
es wieder genommen werden kann. — Wird das Schiff von dem Gegner wieder 
genommen (Fall der Reprise), so ist es dem Eigentümer zurückzugeben, da 
dieser sein Eigentumsrecht noch nicht verloren hat.) Eine Anomalie ist es, 
wenn die ältere Praxis und Gesetzgebung der Staaten ein wiedergenommenes 
nationales Schiff als gute Prise behandeln. 5) 
$ 190. Die Neutralität.6) I. Die konkrete, objektive und subjektive 
Bestimmtheit des einzelnen Kriegsrechtsverhältnisses führt zu dem Unter- 
  
1) Über die einzelnen Fälle vgl. Prisenreglement des Instituts f. internat. Recht $$ 50, 51; 
Perels, Intern. Seerecht, 298; Oppenheim II, $ 194. 
2) Vgl. Oppenheim II, 8 194. 
3) Vgl.G.F.v.Martens, Versuch über Kaper, feindliche Nehmungen und insbesondere 
Wiedernehmungen (1795): Geffcken HH IV S. 593; Perels, Internationales Scerecht $ 36; 
v. Martitz in Holtzendorff’s Rechtsiexikon s. v. „Wiedernahme“; Oppenheim I, & 196. 
4) Die Annahme eines Falles des Postliminium ist hier nicht begründet. Richtig Rivier, 
Principes II p. 357. 
5) Richtig von neueren Gesetzen auch die englische Prize Act von 1864. nach der 
jedoch auch dann Rückgabe an den Eigentümer erfolgt, wenn das wiedergenommene Schiff 
verurteilt ist, wogegen die nordamerikanische Kongreßakte von 1864 korrekterweise die 
Rückgabe auf die Fälle beschränkt, in denen Verurteilung noch nicht stattgefunden hat. 
6) Berner in Bluntschlis Staatswörterbuch s. v. Neutralität; Trendelenburg, 
Friedrichs des Großen Verdienst um das Völkerrecht lim Seekrieg S. 36ff.; Geffeken, HH 
IV S. 605ff.; Heffter-Geffeken, $$ 144ff.; Bluntschli, Völkerrecht $$ 742ff.: Perels 
Intern. Scerecht S. 208ff.; F. v. Martens. II S. 549ff.; Gareis $$ STff.; Rivier, Lehrb. 
S. 416ff., Principes II p. 36$sq.; Bergbohm, Die bew. Neutr. 1750—1783 (1884); Jellinek,
	        
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