& 193. Die Kriegskontrebande. 529
neben ist auch noch der Begriff der zufälligen Kontrebande (c. accidentelle)
für Gegenstände aufgestellt worden, die unter singulären Verhältnissen für
die militärischen Interessen eines Kriegsteils in conereto von Vorteil sind).
In Verträgen, Neutralitätsproklamationen, Manifesten, nationalen Gesetzen
und Verordnungen suchten die Mächte bis in die neueste Zeit jene res
ancipitis usus, die sie als verbotene Waren behandelt wissen wollen, in Ver-
zeichnissen zusammenzustellen. In diesen Quellen kommt jedoch keine über-
einstimmende Ansicht über den Begriff der Kontrebande zum Ausdruck?), ja
selbst in Verträgen und Gesetzen desselben Staats wird derselbe Gegenstand
bald als Kontrebande bezeichnet, bald in das Verzeichnis der verbotenen
Waren nicht aufgenommen?). Die Seerechtsdeklaration von 1856 ermächtigt
zur Wegnahme der Kontrebande, normiert aber nicht diesen Begriff. Die
Kongoakte von 1885 beruft sich seltsamerweise bezüglich der Frage, was als
Kontrebande zu behandeln sei, auf das Völkerrecht, obgleich hier ein allgemeiner
Rechtssatz sich noch nicht ausgebildet hat. In den partikulären Quellen tritt
nur der Gedanke hervor, die unmittelbar zum Kriege dienlichen Gegenstände
als Kontrebande zu beliandeln. Das Bedürfnis nach einer solchen allgemein
verbindlichen Definition der Kriegskontrebande hat in den Verhandlungen des
Instituts für internationales Recht zu eingehenden Untersuchungen über diesen
Gegenstand geführt‘); das Institut gelangte in den Verhandlungen zu Venedig
Meinung des Grotius (l. c.: „.. . Nam si tueri me non possum nisi quae mittuntur inter-
cipiam, necessitas jus dabit... .“) im Falle der Kriegsnotwendigkeit der Wegnahme unter-
liegen, so ist der Willkür der Kriegführenden keine Schranke gezogen. Wenig Bedeutung
hat die von Grotius postulierte Pflicht der Entschädigung des Eigentümers (l. c.: „. . ‚sed
sub onere restitutionis nisi caussa alia accedat“).
1) v. Hold, a. a. O. 28 bezeichnet jede Einteilung der Waren bezw. die Betonung der
Natur der Gegenstände als sachlich unrichtig. Der Bogriff der K. sei ein konventioneller,
nicht auf die Beschaffenheit des Gegenstandes komme es an, sondern darauf, ob er geeignet
sei, dem Destinatar Vorteile zu verschaffen; insofern komme es allerdings 'auf die Natur des
Gegenstandes an. Der Begriff der K. ist kein Qualitäts- sondern ein Relationsbegriff
(Beziehung zu einem kriegführenden Staat, zum Kriege, zu einer bestimmten Kriegslage).
2) Die französischen Ordonnanzen von 1543 und 1584 behandeln lediglich Waffen und
Munition als Kontrebande; die Marineordonnanz von 1651 spricht nur von Kriegsmunition.
Pyrenäenvertrag von 1659: „toutes sortes d’armes & feu et autres assortiments d’icelle*; Lebens-
mittel sind ausdrücklich auzgeschlossen. Bewaffnete Neutralität von 1780: Waffen, Munition,
Equipierungsgegenstände. In dem Vertrage Englands und der nordamerikanischen Union
von 1794 sind auch Schiffsbauholz, Theer, Harz, Kupferplatten, Segel, Hanf, Tauwerk usw.
als Kontrebande bezeichnet (vgl. Geffeken, HH IV 8. 717). Eine Begrenzung des Begriffs
enthält der russische Senats-Ukas vom 12. Mai 1877 (Art. VD: Waffen aller Art, Bestandteile
von Schußwaffen, Munition, Sprengmittel, Transportmittel für das Heer, die Artillerie, Ma-
schinen, Gegenstände der Ausrüstung und Bekleidung der Soldaten.
3) So zeigen sich z. B. Differenzen zwischen dem preußischen Landrecht, dem preußi-
schen Prisenreglement und den von Preußen im Namen des norddeutschen Bundes und des
Zollvereins abgeschlossenen Verträgen (mit Mexiko 1869, Salvador 1870, Costa Riea 1875)
bezüglich der Pferde, des Schwefels usw,
4) Schon Art. II der Kommissionsbeschlüsse (Session Zürich) 1887 über die Behandinng
des feindlichen Privateigentums lautet im Sinne des oben bezeichneten Grundgedankens: sont
toutefois sujets & saisie: les objets destines A la guerre ou susceptibles d’y Etre employees
immediatement.
Ullmann, Völkerrecht. 34