Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

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8 15. Fortsetzung. V. Vom Westphälischen Frieden bis zur französischen Revolution. 71 
  
die solenne Anerkennung der internationalen Gemeinschaft und der gleichen 
rechtlichen Stellung ihrer Mitglieder der Völkerrechtsidee nicht jene praktische 
Bedeutung für die Zukunft gewährleisten konnte, um jener Gemeinschaft die 
Segnungen einer Friedensordnung zu sichern. Die Betätigung des Unter- 
nehmungsgeistes, der Erwerb großer überseeischer Gebiete und deren Koloni- 
sation führten zu einem Wettbewerb der Mächte, in dem das einseitige In- 
teresse an der Gewinnung von Reichtum und politischer Macht den Gedanken 
gleichberechtigter Verwertung der neuen Kulturfaktoren ersticken mußte. 
Die Fälle der Kollision legitimer Interessen häuften sich; die an dem mari- 
timen und kommerziellen Wettbewerb jener Zeit beteiligten Mächte Spanien, 
Portugal, die Niederlande, Frankreich und England befehdeten einander in 
hartnäckigen Kämpfen, in denen die Behauptung und Gewinnung der Supre- 
matie zur See das maßgebende Ziel bildete. Das Ergebnis dieser Kämpfe 
war der Übergang dieser Suprematie von ihren bisherigen Trägern (Spanien, 
den Niederlanden) auf England und der politische Niedergang jener Mächte 
im europäischen Konzerte. Der Zusammenhang der gesamten europäischen 
Politik und die Verschiebung der Machtverhältnisse infolge der Streitfälle 
jener Zeit äußerten ihre Wirkung auch auf die Stellung der übrigen Staaten 
des europäischen Kontinents. Schweden büßte seinen Einfluß ein, Preußen 
rückte in die Stellung einer maßgebenden Großmacht und mit dem Frieden 
von Nystädt 1721 tritt Rußland als Großmacht nun auch förmlich in die 
europäische Staatengemeinschaft ein. Der kriegerischen Bewegung jener Zeit 
entspricht die große Zahl von Friedensverträgen innerhalb einer verhältnis- 
mäßig kurzen Periode. Im Vordergrund stehen die durch die Eroberungs- 
politik Ludwigs XIV. veranlaßten Streitfälle, die durch folgende Friedens- 
verträge erledigt wurden: die Kriege zwischen Frankreich und Spanien durch 
den Pyrenäenvertrag 1659 und den Aachener Vertrag 1668 (Tripelallianz Eng- 
lands, Hollandsund Schwedens gegen Frankreich) ;der Frieden von Nimwegen 1678 
beendigte den Krieg Frankreichs gegen Holland, in den auch andere Mächte 
verwickelt wurden; der Krieg zwischen Frankreich einerseits und England, 
Spanien, Deutschland, Holland, Dänemark und Savoyen anderseits wurde durch 
den Frieden von Ryswick 1688, jener zwischen Frankreich und Spanien einer- 
seits und Deutschland, England, Holland, Portugal, Savoyen anderseits (spani- 
scher Sukzessionskrieg) durch die Verträge von Utrecht, Rastatt und Baden 
1713,1714 beendigt. AnderweiteStreitfälle wurden durch die Verträge von Roeskild 
1658, Oliva 1660, Kopenhagen 1660, Kardis 1661, Carlowitz 1699, Nystädt 1721 
erledigt. Unleugbar liegt in diesen zahlreichen Kriegen innerhalb eines ver- 
hältnismäßig kurzen Zeitraums ein Zeugnis dafür, daß die Idee des Völker- 
rechts als einer Friedensordnung in der praktischen Politik der damaligen 
Zeit sich noch nicht befestigt hatte. Umso auffälliger erscheint es, daB gerade 
in jener Zeit die Symptome einer Gemeinschaftsordnung der Verkehr pflegen- 
den Staaten mit weller Bestimmtheit hervortraten; es ergibt sich dies vor 
allem aus der das Bewußtsein der Interessensolidarität bekundenden Teilnahme 
so vieler Staaten an den zur Ordnung betreffender Streitfälle zusammen- 
getretenen Kongressen zu Nimwegen 1675, Braunschweig 1697 und
	        
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