18 Erstes Buch. Allgemeine Lehren. $ 17.
Charakteristik dieser Periode durch das Nationalitätenprinzip nicht immer
zutrifft.
Wichtige politische Vorgänge in dieser Periode waren die Einigung
Italiens, die Gründung des Deutschen Reiches, die Umgestaltung Österreichs
in eine Realunion — die österreichisch-ungarische Monarchie, die Anerkennung
Rumäniens, Serbiens und Montenegros als selbständiger Staaten durch den
Berliner Kongreß 1878, die durch denselben Kongreß erfolgte Übertragung
der Verwaltung Bosniens und der Herzegowina an Österreich-Ungarn, die
Schaffung eines neuen Vasallenstaats aus der türkischen Provinz Bulgarien
und die Bildung einer autonomen türkischen Provinz Ostrumelien. Der im
Jahre 1897 auf Creta ausgebrochene Aufstand führte auf Intervention der.
Mächte zur Bildung eines autonomen Staatswesens unter der Suzeränetät der
Pforte; der Krieg zwischen der Türkei und Griechenland wurde durch den
Frieden von Constantinopel beendigt. Im Osten Asiens tritt Japan nach seinen
Siegen über China als neue Großmacht in eine engere Beziehung zu den Mit-
gliedern der Völkerrechtsgemeinschaft, die alsbald in den Verträgen mit Eng-
land und Deutschland durch Abschaffung der Konsularjurisdiktion Ausdruck
findet. Der Ausgang des 1904 ausgebrochenen Krieges mit Rußland befestigte
die Großmachıtstellung Japans im Völkerkonzert. Die Intervention der Nord-
amerikanischen Union aus Anlaß des Aufstands in Cuba führte zum Kriege
mit Spanien und zur Aufhebung der spanischen Herrschaft in Cuba (Pariser
Frieden 1898). Eine Erweiterung der Staatengemeinschaft erfolgte auf der
Berliner Konferenz 1884, 1885 durch die Anerkennung des Kongostaates und
in Europa durch die Auflösung der Union Norwegens mit Schweden. 1907
wurde das neue Königreich Norwegen in einem Integritätsvertrage mit Eng-
land, Frankreich, Deutschland und Rußland neuerlich anerkannt und dessen
Selbständigkeit garantiert.
Die wichtigste Tatsache innerhalb des Entwicklungsgangs des Völker-
rechts: die lebhafte Betätigung des Solidaritätsbewußtseins der zivilisierten
Völker und die spontane Bekundung des internationalen Rechtsbewußtseins
in betreffenden Rechtsakten der Staaten fällt in diese Periode, beherrscht
in ihren Wirkungen die öffentliche Meinung der Gegenwart und gibt der
Hoffnung auf weitere Siege einer vom Geiste des Rechts und der Humanität
beherrschten Gestaltung der internationalen Rechtsordnung Raum. Wäre dies
anders, so würde die heute so mächtige Kulturbewegung allmählich gerade
jene universellen Mittel einbüßen, die ihr der herrschende Internationalismus
auf allen Gebieten des materiellen und geistigen Lebens zur Verfügung ge-
stellt hat. Die Pflege des Kulturzwecks, die dem modernen Kulturstaate als
seine vornehmste und wichtigste Aufgabe erscheint, verweist aus naheliegen-
den Gründen die Staaten auf die Zusammenfassung ihrer Kräfte durch Asso-
ziation, von der in immer umfassenderem Maße in den verschiedensten Rich-
tungen Gebrauch gemacht wird. Das,Bedürfnis der Lösung jener den Lebens-
nerv des modernen Staats berührenden Kulturprobleme führte zu jenen
zahlreichen kollektiven Aktionen der Mächte, deren Ergebnisse wir schon
heute im Komplex als internationales Verwaltungsrecht bezeichnen