Full text: Fürst Bismarcks Lebenswerk.

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Manche denken nun, sie loben Kaiser Wilhelm, wenn sie 
sagen, er wäre zu bescheiden gewesen, um die Kaiserkrone an- 
zunehmen. Das ist aber für einen König gar kein Lob. 
Wenn es das Ansehen seines Landes und seines Volkes gilt, 
dann darf ein König nicht bescheiden sein; denn er ist dazu 
da, um die Würde seines Volkes den andern Völkern deutlich 
zu machen, wenn es sein muß sogar mit Eisen und Blut. 
König Wilhelm hatte sich auch garnicht aus Bescheidenheit ge- 
sträubt, sondern aus Stolz; nicht aus Stolz auf seine Person, 
sondern auf sein Volk, auf das ruhmreiche Land, dessen Re- 
gierung er durch Gottes Gnade von seinem Bruder und seinem 
Vater geerbt hatte. Er wollte nicht eingestehn, daß ein König 
von Preußen noch etwas Höheres werden könnte; und grade 
weil das ganze deutsche Volk meinte, ein Deutscher Kaiser 
sei etwas Höheres als der König von Preußen, grade darum 
wurde es dem Manne, der das preußische Herr zum besten 
auf der Welt gemacht hatte, schwer, den Kaisertitel anzunehmen. 
Und als er es doch tat, da tat er dasselbe, was der König 
von Bayern, der König von Sachsen, der König von Württem- 
berg und alle anderen Landesherren taten, er opferte etwas 
von seinem eigenen Stolze, um zum Wohle des deutschen 
Volkes das Deutsche Reich zu Stande zu bringen. Und so 
muß das immer sein: wenn viele Leute zusammen etwas 
Großes zustande bringen wollen, dann muß jeder ein Stück 
von seinem eigenen Willen aufgeben; sonst geht es nicht. 
Das haben denn alle deutschen Fürsten 1870 getan; und 
nur von den Abgeordneten, die schon im Verfassungskonflikt 
Preußen den Großmachtkitzel austreiben wollten, sagten viele: 
„Nein, wenn das Reich nicht genau so wird, wie wir es 
haben wollen, dann wollen wir garnichts davon wissen." 
Aber die hatten nichts mehr zu sagen; denn die meisten 
Abgeordneten stimmten jetzt für Bismarck und für Kaiser 
und Reich.
	        
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