Full text: Das Friedensangebot der Mittelmächte.

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fähigkeit kennt, wenn man also alle diejenigen Bedingungen be- 
rücksichtigt, welche die Staatsfähigkeit der Nationen ausmachen, 
wobei geopolitische und geschichtliche Rücksichten die Hand der 
Politik ebenso zu leiten haben wie eine psychologische und prak- 
tische Einsicht und Geschicklichkeit. Man darf also wie R. KJELLEN 
in seiner bedeutsamen Schrift, Die politischen Probleme des Welt- 
krieges (4. Aufl. 1916 S. 46 ff.) sehr klar dartut, nicht „Sklave des 
Nationalitätsgedankens“ sein und muß „dem Staate geben, was des 
Staates, und der Nation, was der Nation ist“. Vor einem nahe- 
liegenden Fehler ist besonders zu warnen. Die Nationalitätenfrage 
beim Friedensschlusse nur nach den Bestrebungen der kriegfül- 
renden Mächte zu modeln, würde mit Sicherheit zu verfehlten und 
nicht dauernden Gewaltschöpfungen führen. Auch läßt sich nicht 
ein besonderes Nationalitätenprinzip etwa für Europa, ein anderes 
aber für Asien und ein drittes ganz besonders für England gut- 
heißen. Und vor der Uebertreibung des Nationalitätengedankens 
warnt auch das sehr beachtenswerte europäische Gesamtinteresse, 
welches ein Zusammengehen nicht nur der Staaten, sondern auch 
der Nationen fordert und deshalb dahin weist, Staaten, die die 
Kraft, Nationen zusammenzuhalten ın der Geschichte bewiesen 
haben, nicht um eines Prinzips willen, nach Nationen zu zerreißen 
oder das subjektive Bedürfnis der Machterweiterung eines Staates 
oder Reiches zum Ausgangspunkte nationaler Bestrebungen zu 
nehmen. | 
Wir sehen, das Ziel „Wiederaufbau Europas auf der Grund- 
lage der Nationalitäten“, erhält praktischen Sinn, wenn es in all 
seinen Richtungen durchdacht und erst dann nach Lage der Dinge 
erfaßt wird, es ist eine hohle Phrase, wenn es nur vorgeschützt 
wird, um einzelnen vorher bestimmten Machtansprüchen als Schild 
zu dienen. 
Das Ziel der Zentralmächte: „Sicherung der eigenen Existenz 
und der freien Entwicklungsmöglichkeit“ wird dem Grundgedanken 
der Nationalitäten nur unter solchen Voraussetzungen nicht ent- 
gegenstehen. Die österreiehisch-ungarische Monarchie steht und
	        
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