8 35a. Die Reichsverfassungsurkunde. Einleitung. 93
83.
Die Vereinbarungen in dem zu Versailles am 15. November
1870 aufgenommenen Protokolle (Bundes-Ges.-Bl. vom Jahre 1870
S. 650 ff.), in der Verhandlung zu Berlin vom 25. November 1870.
(Bundes-Ges.-Bl. 1871 S. 23 ff.) sowie unter IV des Vertrages mit
Bayern vom 23. November 1870 a. a. O. S. 21 ff. werden durch
dieses Gesetz nicht berührt.5)
Gegeben Berlin 16. April 1871. Wilhelm. Fürst v. Bismarck.
B. Verfassung des deutschen Reichs.
(Web. 8, 745 ff.; Bamb. 11, 87 ff.)
Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Nord-
deutschen Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine
Majestät der König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der
Großherzog von Baden und Seine Kgl. Hoheit der Großherzog von
Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main belegenen Teile des
Großherzogtums Hessen, schließen einen ewigen Bund 4) zum Schutze
*!) S. den Versailler Vertrag v. 23. November 1870: Beitritt Bayerns
zur Verfassung des deutschen Reiches nebst Schlußprotokoll hiezu vom gleichen
Tager Web. 5.7 Namb. 11, 5 ff.; Pröbst S. 132—140; u. kgl. bayr.
eklaration v. 30. Januar „die de en Bündnis ä * # .
11,3;Web«8,704f. utschen Bündnisverträge betr.“ Bamb
Deutschlaud ist also ein „Bund“ und zwar ein Bund der in der Ein—
leitung und in Art. 1 der Reichs-Verf. genannten Staaten, demgemäß ein
Staaten bund, kein Bundesstaat. Diese Fassung der Einleitung und der hier
gewählte Wortlaut „Bund" beweist, daß durch die Thatsache, daß nach § 1 des
vorstehenden Publikationsgesetzes v. 16. April 1871 die „Verfassungsurkunde für
das deutsche Reich“ an Stelle der von den daselbst genannten Staaten abgeschlos-
senen Verträge v. 23. u. 25. Nov. 1870 tritt, Nichts an den Bundesverhältnissen
geändert werden solle. Dieser Wortlaut tritt auch der Auffassung entgegen, daß
diese Verträge durch die Schaffung des deutschen Reiches in der Art erfüllt
worden seien, daß sie durch Erfüllung in Wegfall gekommen und an Stelle des
vertragsmäßigen Verhältnisses zwischen den paktierenden Staaten ein staatsrecht-
liches: die Neugründung eines Einheitsstaates resp. dieser selbst getreten wäre.
Es ist vielmehr der Inhalt dieser Verträge — und mit ihm also auch die
Reichs-Verf. — von den Gesetzgebungsfaktoren der einzelnen paktierenden Bundes-
staaten angenommen und genehmigt, daher zum Verfassungsgesetz dieser Einzel-
staaten erhoben worden. Der Inhalt dieser Verfassungsgesetze deckt sich nun mit
dem Inhalte der in § 1 Abs. 1 des Publikationsgesetzes v. 16. April 1871 ge-
nannten Verträge und in diesem Sinne tritt die durch die letzterwähnten
Landesgesetze in den einzelnen Bundesstagten angenommene, den Inhalt dieser
Verträge wiedergebende Reichs-Verf. formell „an die Stelle“ dieser Verträge, ohne
den materiellen Kern und die Absicht der letzteren zu alterieren. Es sind eben,
um es kurz zu sagen, die betr. Verträge, ebenso wie andere Staatsverträge,
welche der Zustimmung des Landtages 2c. bedürfen, ihrem ganzen Inhalte nach
durch Landgesetz angenommen und dadurch selbst zum Landgesetz erhoben worden
und zwar speziell in Bayern — wo im gegebenen Falle diese Form von der
Verfassung vorgeschrieben ist — zu einem durch Gesamtbeschluß der beiden Kam-
mern „unter Beobachtung der in Tit. X § 7 der Verfassungsurkunde vorgeschrie-
benen Formen“ vom Landtage genehmigten und demgemäß erlassenen Verfassungs-