8 35 a. Reichsverfassungsurkunde. VII. Eisenbahnwesen. 113
Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den
Anschuß neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen
zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn—
Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von
Parallel= oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet
bereits erworbener Rechte, für das ganze Reich hiedurch aufgehoben.
Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilenden
Konzessionen nicht weiter verliehen werden.
Art. 42.
Die Bundesregierungen 82) verpflichten sich, die deutschen Eisen-
bahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches
Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden
Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Art. 43.
Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung übereinstim-
mende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahn-
polizei-Reglements eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge
zu tragen, daß die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in
einem die nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten
und dieselben mit Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrs-
bedürfnis es erheischt.
Art. 44.
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durch-
gehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne
nötigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen
die zur Bewältigung des Güterverkehrs nötigen Güterzüge einzuführen,
auch direkte Expeditionen im Personen= und Güterverkehr, unter Ge-
stattung des Ueberganges der Transportmittel von einer Bahn auf
die andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.
Art. 45.
Dem Reiche steht die Kontrole über das Tarifwesen zu. Das-
selbe wird namentlich dahin wirken:
*") Nach Art. 46 Abs. 2 d. Reichs-Verf. finden die Bestimmungen in den
Art. 42—46 Abs. 1 auf Bayern keine Anwendung; s. jedoch Art. 46 Abs. 3 l. c.
Es gilt für Bayern also auch nicht die vom Bundesrat erlassene „Betriebsordnung
für die Haupteisenbahnen Deutschlands“ v. 5. Juli 1892 (Web. 21, 577 f.), son-
dern vielmehr „die Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Bayerus“ v. 10.
Dez. 1892 (Web. 22, 20 ff.), welche übrigens fast durchaus mit der deutschen
Betriebsordnung v. 5. Juli 1892 übereinstimmt. Die in der bayer. Betriebs-
ordnung §§ 54—62 für das Publikum enthaltenen Bestimmungen gelten als
oberpolizeiliche Vorschriften zu Art. 88 Abs. 1 u. 2 d. Pol.-Str.-Ges.-B. (s. hier-
über unter § 358 bei Eisenbahnpolizei, desgl. Pröbst, Comm. z. Pol.-Str.-Ges.-B.
1894 S. 217).
Pohl, Handbuch. I. 8