Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 35 à. Reichsverfassungsurkunde. XIV. Allgemeine Bestimmungen. 127 
staaten, sondern nach Art. 5 der Reichs-Verf. durch den Bundesrat und den 
Reichstag ausgeübt. 
Nach Art. 6 I. c. besteht nun der Bundesrat aus den Vertretern der 
Mitglieder des Bundes; Mitglieder des Bundes im Sinne dieses Artikels 
sind aber die Bundes fürsten, als die Träger der Krone und die Inhaber der 
Hoheitsrechte ihres Landes, nicht aber die Landesvertretungen oder die Landtage 
der Einzelstaaten: also hat die Landesgesetzgebung resp. die Zustimmung der Land- 
tage der einzelnen Bundesstaaten auf diesem Gebiete, d. h. bei der Gesetzgebung 
im Sinne des Art. 78 der Reichs-Verf., keinen Platz. — Uebrigens haben die 
Landtage der Einzelstaaten mit der Annahme der ganzen Reichsverfassung auch 
den Art. 78 derselben angenommen und genehmigt, demgemäß auch ihre Zustimmung 
dazu erteilt, daß die im Bundesrate abzugebende Erklärung nach Abs. 2 des ge- 
nannten Artikels ohne ihr eigenes Zuthun erfolgt. 
Endlich erscheint uns durch die Notwendigkeit der oben erwähnten Minister- 
Gegenzeichnung und die hieraus fließende Minister-Verantwortlichkeit ein genügender 
verfassungsmäßiger Schutz dafür gegeben, daß Sonderrechte — ganz abgesehen von 
der eigenen kräftigen und sorgsamen Wahrung derselben durch die Landesfürsten 
selbst — nicht ohne die triftigsten Gründe ganz oder auch nur teilweise aufge— 
geben werden. 
Zum Schlusse möchten wir bezüglich der hier besprochenen Frage auch 
noch auf den Tit. 11 §1 der bayerischen Verfassung hinweisen, welcher lautet: 
„Der König ist das Oberhaupt des Staates, vereinigt in sich 
alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den von Ihm ge- 
gebenen in der gegenwärtigen Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen 
aus.“ 
Der Wille des Landesfürsten in einem konstitutionellen Staate wie Bayern 
ist wohl in gewisser Beziehung dadurch beschränkt, daß er in den durch die Ver- 
fassung selbst bezeichneten Angelegenheiten an die Zustimmung der Volksvertretung 
oder des Landtages gebunden ist. Allein soweit diese verfassungsmäßige Ein- 
schränkung nicht gegeben ist, erscheint der Landesfürst völlig frei in der Ausübung 
aller ihm gebührenden Rechte der Staatsgewalt. 
In der hier erörterten Richtung kennt die bayerische Verfassung keine Ein- 
schränkung des landesfürstlichen Willens, ein nach dieser Richtung zu Art. 78 der 
Reichsverfassung in der bayerischen Abgeordnetenkammer seinerzeit gestellter An- 
trag fand keine Mehrheit. Also steht der vorerwähnte Satz (Tit. II § 1) der 
bayerischen Verfassungsurkunde nicht nur nicht im Widerspruche mit der hier auf- 
gestellten Behauptung (des Nichterfordernisses der Zustimmung der bayerischen 
Landesvertretung zu der nach Art. 78 Abs. II der Reichs-Verf. abzugebenden 
Erklärung „des berechtigten Bundesstaates“ im Bundesrate), sondern bestätigt viel- 
mehr dieselbe erst recht in ihrer Anwendung auch auf die bayerische Verfassung. 
Siehe hierüber Näheres in der bereits bei Anm. 100 erwähnten Abhand- 
lung von Seydel, Comm S. 253—287. 
Vergl. auch Riedel, Comm. S. 163 und 164. 
Ferner oben § 9: Der Bundesrat und §8 33 Ziff. 6 der speziellen Be- 
stimmungen für Bayern in Bezug auf das Verhältnis der Einzelstaaten zum 
Reiche.
	        
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