Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

458 § 89. Das bayerische Budgetrecht. 
Die Anträge über die Staatsauflagen geschehen nach § 18 
Tit. VI I. c. zuerst in der Kammer der Abgeordneten und werden 
dann durch diese an die Kammer der Reichsräte gebracht. 
  
  
Außerordentliche, zur Zeit der Willigung unvorhersehbare, sonach in das 
Budget nicht eingestellte Staatsbedürfnisse finden in dem Reichs-Reservefond und 
subsidiär in den etwaigen Ueberschüssen des Staats-Einkommens auch in diesem 
Falle ihre gesetzliche Deckung. 
Die in das Budget eingestellten Ausgaben aber können nur insoferne 
realisiert werden, als sie die Natur eines zur Zeit der Willigung bestimmt „vor- 
her zusehenden Staats-Bedürfnisses“ (s. 8§ 2 Ziff. III A a und b) 
tragen, und sollten die Deckungsmittel nicht zulänglich sein, alle in das Budget 
eingestellten Staatsbedürfnisse zu decken, so befriedigt die Regierung zunächst jene 
unter diesen Staatsbedürfnissen, welche auf gesetzlichen oder rechtlichen Verpflich- 
tungen beruhen, dann jene, welche ihr gemäß ihres regiminalen Ermessens als die 
dringendsten erscheinen. 
§5. Die Verfassung gebietet ferner im Tit. VII § 10, „daß den Ständen 
bei jeder Versammlung eine genaue Nachweisung über die Verwendung des Staats- 
Einkommens vorgelegt werde." 
8§ 6. Aus diesen Verfassungs-Bestimmungen folgt: 
I. In Absicht auf die Nachweisungen selbst: daß dieselben alle irgendwie 
realisierten Staats-Einnahmen und alle irgendwie aus Staatsmitteln 
(namentlich auch in Gemäßheit des Tit. VII § 8 der Verf.-Urk.) als 
„außerordentlich und unvorhersehbar“ aus Ueberschüssen des bestehenden 
Staats-Einkommens bestrittene Ausgaben genau und vollständig nach- 
gewiesen (dokumentiert) darlegen müssen. 
II. In Absicht auf die Befugnisse der Stände: 
daß diese befugt sind, die Nachweisungen einer sorgfältigen Prüfung zu 
unterwerfen, und soferne sie die Ueberzeugung schöpfen, es seien 
a. die Staats-Einnahmen nicht vollständig und streng gesetzmäßig ver- 
wirklicht, oder 
b. die in das Budget eingestellten ordentlichen und außerordentlichen, 
bestimmt vorherzusehenden Staats-Bedürfnissse nicht vollständig, 
nicht entsprechend oder mit Ueberschreitung ihrer budgetmäßigen 
Größe bestritten, oder 
c. sonstige nicht in die Kategorie des außerordentlichen, zur Zeit der 
Willigung unvorhersehbaren Staats-Bedürfnisses gehörigen 
Ausgaben bewirkt worden, # 
diesen Wahrnehmungen mit allen Gegenmitteln entgegenzutreten, wozu ihre ver- 
fassungsmäßigen Willigungs-, Antrag-, Beschwerde= und Anklage-Rechte 
sie ermächtigen. 
§ 7. Erübrigungen sind nur jene Ueberschüsse, welche sich beie 
Ablauf der 6 jährigen*) Finanzperiode nach vollständiger und entsprechender Deckung 
aller in das Budget eingestellten ordentlichen beständigen, bestimmt vorherzusehen- 
den und aller im Laufe der Finanzperiode eingetretenen, zur Zeit der Willigung 
unvorhersehbaren notwendigen, d. h. durch die Erreichung des Staatszweckes ge- 
botenen resp. durch das wahre Landeswohl geforderten Staats-Ausgaben (Staats- 
Bedürfnisse) ergeben. Sie zählen von rechtswegen gleich den Kassabeständen 
und Aktiven aller Art zu den Deckungsmitteln (Staats-Einnahmen der künftigen 
Periode) und müssen als solche in das Budget für diese Periode nach ihrem vollen 
Umfange eingestellt werden. 
  
*) Jetzt 2 jährigen.
	        
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