Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. 463 
Unser Volk wird in dem Inhalte desselben die kräftigste 
Gewährleistung Unserer landesväterlichen Gesinnungen finden. 
Freiheit der Gewissen und gewissenhafte Scheidung und Schützung 
dessen, was des Staates und der Kirche ist; 
Freiheit der Meinungen, mit gesetzlichen Beschränkungen gegen 
den Mißbrauch; 
Gleiches Recht der Eingebornen zu allen Graden des Staats- 
dienstes und zu allen Bezeichnungen des Verdienstes; 
Gleiche Berufung zur Pflicht und zur Ehre der Waffen; 
Gleichheit der Gesetze und vor dem Gesetze; 
Unparteilichkeit und Unaufhaltbarkeit der Rechtspflege; 
Gleichheit der Belegung und der Pflichtigkeit ihrer Leistung; 
Ordnung durch alle Teile des Staatshaushaltes, rechtlicher 
Schutz des Staats-Kredits und gesicherte Verwendung der dafür be- 
stimmten Mittel; 
Wiederbelebung der Gemeindekörper 3) durch die Wiedergabe der 
Verwaltung der ihr Wohl zunächst berührenden Angelegenheiten; 
Eine Standschaft — hervorgehend aus allen Klassen der im 
Staate ansässigen Staatsbürger —, mit den Rechten des Beirates, der 
Zustimmung, der Willigung, der Wünsche und der Beschwerdeführung 
wegen verletzter verfassungsmäßiger Rechte — berufen, um in öffent- 
lichen Versammlungen die Weisheit der Beratung zu verstärken, ohne 
die Kraft der Regierung zu schwächen; 
Endlich eine Gewähr der Verfassung, sichernd gegen willkür- 
lichen Wechsel, aber nicht hindernd das Fortschreiten zum Bessern 
nach geprüften Erfahrungen. ) 
Bayern! — Dies sind die Grundzüge der aus Unserm freien 
Entschlusse euch gegebenen Verfassung — sehet darin die Grundsätze 
eines Königs, welcher das Glück seines Herzens und den Ruhm seines 
Thrones nur von dem Glücke des Vaterlandes und von der Liebe 
seines Volkes empfangen will! —5) 
Wie erklären hienach folgende Bestimmungen als Verfassung 
des Königreiches Bayern: 
*) Das Gemeinde-Edikt vom 17. Mai 1818 (Web. 1, 555 ff.) wurde 
gleichzeitig mit der Verf.-Urkunde beraten und noch vor der Verfassungsurkunde 
publiziert. 
4) Siehe hiezu auch die kgl. Proklamation vom 6. März 1848 (Web. 3, 
675) und das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Grundlagen der Gesetzgebung 
(Web. 3, 709 ff.). 
5) Diese ganze Einleitung zur Verfassungsurkunde hat nicht den Zweck, 
Rechte oder Pflichten zu begründen, sie will lediglich Grund und Veranlassung, 
sowie Absicht und Prinzip der Verfassung bekannt geben; demgemäß kann sie wohl 
als Auslegungsbehelf für die einzelnen in der Verfassung selbst enthaltenen Be- 
stimmungen in der Art dienen, als sie der Interpretation vielleicht ein Mittel zu 
bieten vermag, gegebenen Falles zu erkennen, in welchem Sinne und Geiste die 
Verfassung erlassen wurde und demgemäß die zu interpretierende Stelle derselben 
aufgefaßt werden soll oder kann.
	        
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