466 § 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. II.
in sich alle 10o) Rechte der Staatsgewalt, 10) und übt sie unter den von
ihm gegebenen, in der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde festgesetzten
Bestimmungen aus. 11)
Seine Person ist heilig und unverletzlich. 12) 13)
Art. VIII. Sollte sich der Fall der Minderjährigkeit des Königs in der
Folge der Zeiten ergeben, so wird der gesamte, dem Reichsverweser nach § 20
des Tit. II der Verf.-Urk. gebührende Unterhalt während der Dauer der Regent-
schaft aus der permanenten Civilliste bestritten.
Art. IX. Gegenwärtiges Gesetz soll als ein Grundgesetz des Reiches be-
trachtet werden und dieselbe Wirksamkeit haben, als wenn alle Bestimmungen des-
selben in der Verf.-Urk. enthalten wären.
10) Nach der bayer. Verfassung ist die höchste Gewalt im Staate unteilbar.
Inhaber dieser unteilbaren höchsten Gewalt ist der König. An dieser Unteilbar-
keit der Souveränität des bayer. Königs ist gleichfalls durch den Eintritt Bayerns
ins deutsche Reich nichts geändert worden. S. oben § 37 sowie §§ 32—34 desgl.
§ 35a Anm. 4, 6, 9 und 10 S. 93 bis 95.
11) Nicht in der Fassung des Herrscher-Willens, sondern lediglich in der
Ausübung desselben ist der König durch die Verfassung und die auf Grund
derselben erlassenen gesetzlichen Bestimmungen in gewisser Beziehung beschränkt.
Diese Beschränkungen, welche der König durch Erlaß der Verfassung bezügl.
der Ausübung der Herrschergewalt sich selbst auferlegte und die nun in der
Verfassung fest begründet sind, beziehen sich vorzugsweise:
a. auf den Erlaß von Gesetzen;
b. auf Vornahme gewisser spezieller Regierungshandlungen z. B. Veräuße-
rung von Staatsgut, Aufnahme von Staatsschulden;
zu a und b ist Zustimmung des Landtages erforderlich;
.0 die Gegenzeichnung der Minister (s. Anm. 13);
. auf die Pflicht des Königs, die Gerichtsbarkeit durch Richter bezw.
Gerichte ausüben zu lassen und dieselbe nicht selbst auszuüben. (Tit.
VIII 81 der Verf.-Urk.;
e. seit dem in verfassungsmäßiger Weise und Form erfolgten Eintritt
Bayerns ins deutsche Reich auch auf die Verpflichtung, die deutsche
Reichsverfassung zu beachten, die von ihr den Einzelstaaten auferlegten
Verbindlichkeiten zu erfüllen und die Ausübung gewisser Souveräni-
tätsrechte (nicht diese selbst, s. oben § 32 S. 81 f.) dem Reiche bezw.
dem Kaiser zu überlassen. — S. Stengel, Verf.-Urk. S. 31 f.
i2) Vergl. hiezu §§ 80—86 und §8 94—101 des Reichs-Str.-Ges.-B. über
Hochverrat und Majestätsbeleidigung.
18) Mit der „Unverletzlichkeit“ des Königs ist auch seine Unverantwortlich-
keit gegeben. Diese Unverantwortlichkeit ist eine unbedingte auf dem Gebiete des
Strafrechts, sowie in Bezug auf die Regierungshandlungen des Königs; dagegen
erscheint er auf dem Gebiete des Vermögensrechtes als Rechtssubjekt, welches bei
den Civilgerichten Recht zu nehmen hat; jedoch tritt solchenfalls nicht der König,
sondern die Civilliste als Prozeßpartei auf. S. oben § 37 S. 136 ad 3.
Die Unverantwortlichkeit des Königs für Regierungshandlungen mußte
naturnotwendig zur Aufstellung von Personen führen, welche an seiner Stelle und
" ahn die volle Verantwortung tragen. Dies sind die Minister. Siehe oben
280.
Das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Verantwortlichkeit der Minister lautet:
Art. I. Die Führung eines Ministeriums kann nur einem Staatsrate im
ordentlichen Dienste übertragen werden, welcher hiedurch einen sofort unentzieh-
baren Standesgehalt von 3000 fl. erhält, soferne ihm nicht aus früheren Dienstes-
S.-S