8 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. VII. 497
8 7.62) In dem Falle, wo der König durch außerordentliche
äußere Verhältnisse verhindert ist, in diesem letzten Jahre der ordent—
lichen Steuer-Bewilligung die Stände zu versammeln, kömmt Ihm
die Befugnis einer Forterhebung der letztbewilligten Steuer auf ein
halbes Jahr zu.
8 8. In Fällen eines außerordentlichen und unvorhergesehenen
Bedürfnisses und der Unzulänglichkeit der bestehenden Staats-Einkünfte
zu dessen Deckung, wird dieses den Ständen zur Bewilligung der
erforderlichen außerordentlichen Auflagen vorgelegt werden.
§ 9. Die Stände können die Bewilligung der Steuern mit
keiner Bedingung verbinden. 6)
§ 10. Den Ständen des Reichs wird bei einer jeden Ver-
sammlung eine genaue Nachweisung über die Verwendung der Staats-
Einnahmen vorgelegt werden.4)
§ 11.65) Die gesamte Staatsschuld wird unter die Gewähr-
leistung der Stände gestellt.56)
Art. 1. Die zur Deckung der ordentlichen, beständigen und bestimmt vor-
herzusehenden Staatsausgaben mit Einschluß des notwendigen Reservefonds er-
forderlichen direkten Steuern werden jedesmal auf zwei Jahre bewilligt.
Art. 2. Spätestens drei Monate vor dem Ablaufe des Termins, für
welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, läßt der König für die zwei Jahre,
welche diesem Termine folgen, den Kammern ein neues Budget vorlegen.
Art. 3. Die durch Art. 1 angeordnete Dauer der Finanzperioden soll mit
der IX. Finanzperiode und letztere mit dem 1. Januar 1868 beginnen. 2c. 2c.
Art. 4. Die vorstehenden Art. 1 und 2 treten an die Stelle des § 5 Abs. 1
des Tit. VII der Verf.-Urk. und des Gesetzes vom 15. April 1840,“) „die Ab-
änderung des § 6 Tit. VII der Verf.-Urk. betr.“, welche hiemit aufgehoben werden,
und sind demzufolge als ein ergänzender Bestandteil der Verf.-Urk. anzusehen.
Vergl. hiezu unten Anm. 78 zu § 22 I. c.
*„:) Siehe Anm. 59b.
s3) Ebensowenig kann eine Verweigerung der notwendigen Steuern er-
folgen. Die Festsetzung des Steuerfußes erfolgt durch Gesetz: sogen. Finanzgesetz.
Das Budget, welches nicht — wie der Reichshaushaltsetat — selbst ein Gesetz ist,
dient als Beilage zum betr. Finanzgesetze. Hiezu vergl. Pözl, Verf.-R. 8 203
S. 533 ff.
") Ein weiteres Recht des Landtages bildet die Entgegennahme des Nach-
weises über die Verwendung der Staats-Einnahmen, zu welchen ja auch die vom
Landtage genehmigten Steuern gehören. S. Pözl, Verf.-R. § 202 S. 530 f.,
ferner Verfassungsverständnis §§ 5 und 6, oben S. 458.
Wenn auch der Landtag keine Decharge zu erteilen hat, so kann er doch
auf Grund dieser Vorlage der Nachweise und der Prüfung derselben geeignete
Anträge stellen, auch Beschwerden, ja sogar Minister-Anklagen erheben.
69) Die 88 11—16 Tit. VII handeln von dem wichtigen Thema der
Staatsschulden.
Hierüber sind folgende Grundsätze aufzustellen:
1) Zu jeder neuen Staatsschuld — gleichviel in welcher Form dieselbe
kontrahiert wird, also auch für die Uebernahme einer Zinsgarantie, —
*) Siehe Web. 3, 338; dieses Gesetz hatte den Vorlagetermin für d t von einem
Jahr auf neun Monate abgsscbchiel set ¾ für das Budge
Pohl, Handbuch. I. 32