498 8 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. VII.
Zu jeder neuen Staatsschuld, wodurch die zur Zeit bestehende
Schulden-Masse im Kapitals-Betrage oder in der jährlichen Verzinsung
oi wird, ist die Zustimmung der Stände des Reichs erforder-
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§ 12. Eine solche Vermehrung der Staatsschulden hat nur
für jene dringenden und außerordentlichen Staatsbedürfnisse statt,
welche weder durch die ordentlichen, noch durch außerordentliche Bei-
träge der Unterthanen ohne deren zu große Belastung bestritten werden
können, und die zum wahren Nutzen des Landes gereichen.
8§ 13. Den Ständen wird der Schuldentilgungs-Plan vor-
gelegt, und ohne ihre Zustimmung kann an dem von ihnen ange-
nommenen Plane keine Abänderung getroffen, noch ein zur Schulden-
tilgung bestimmtes Gefäll zu irgend einem andern Zwecke verwendet
werden. 6 «
8 14. Jede der beiden Kammern hat aus ihrer Mitte einen
Kommissär zu ernennen, welche gemeinschaftlich bei der Schulden—
durch welche der Staat, sei es an Kapital oder an Zinsen — gegen
bisher — höher belastet wird, ist die Zustimmung des Landtags er-
forderlich. Tritt eine solche höhere Belastung nicht ein, z. B. bei Auf-
nahme eines Anlehens mit niedrigerem Zinsfuße, um mit demselben
ein Anlehen von gleicher Kapitalshöhe mit höherem Zinsfuße heimzu-
zahlen, so ist diese Mitwirkung der Kammern nicht gegeben.
2) Staatsschulden dürfen nur unter der Voraussetzung des § 12 l. c.
und — den Fall des § 15 ausgenommen — nur nach vorheriger
Genehmigung des Landtags kontrahiert werden.
3) Dem Landtage ist auch der Schuldentilgungsplan vorzulegen und letz-
terer von ihm zu genehmigen. Der genehmigte Plan ist von der Re-
gierung genau einzuhalten (8 13 I. c.).
4) Der Landtag hat eine fortwährende Kontrolle über das gesamte Staats-
schuldenwesen auszuüben und zwar in der Art, daß er die genaue Nach-
weisung des Standes der Staatsschulden bei jeder Session empfängt
und prüft (8 16 I. c.) und daß er durch aus seiner Mitte aufgestellte
Staatsschuldentilgungskommissäre die gesamte Staatsschuldenverwaltung
fortgesetzt kontrolliert (§ 14 l. c.).
Ueber „die Rechte der Kammern in Ansehung der Staatsschulden“ s.
v. Pözl, Verf.-R. 3. Aufl. § 205 S. 538 ff.
"6) Siehe hiezu:
a. Verordn. vom 20. August 1811 „die Errichtung einer Schuldentilgungs-
kommission in Bayern, ihren Geschäftskreis und ihre Formation betr."
(Web. 1, 354); und besonders
b. Gesetz vom 22. Juli 1819 „das Staatsschuldenwesen des Reichs betr.“
(Web. 2, 15 ff.) und hiezu noch weiter Ziff. III des Landtagsabschieds
vom 22. Juli 1819 (Web. 2, 2 f.). Das vorgenannte Gesetz ist ge-
wissermaßen grundlegend für das bayerische Staatsschuldenwesen und
daher für dasselbe auch heute noch von ganz besonderer Bedeutung.
Vergl. oben § 70 S. 336 f.
) Dieser Abs. 2 des § 11 gilt auch für die Uebernahme einer sog. Zins-
garantie.
vleber die Reichsschulden s. oben § 21 S. 60—682, ferner Art. 4
Ziff. 3 der Reichs-Verf. und außer dem auf S. 61 schon genannten Reichsgesetze
vom 30. April 1874 über die Ausgabe von Reichskassenscheinen auch das Reichs-
gesetz vom 8. Juni 1871, „die Inhaberpapiere mit Prämien betr.“ (Web. 9, 45 f.).