Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 541 
§ 38. Jeder genehmigten Privat= oder öffentlichen Kirchen-Gesell- 
seaft kömmt unter der obersten Staats= Aussicht nach den im III. Ab- 
chnitte enthaltenen Bestimmungen die Befugnis zu, nach der Formel und 
der von der Staatsgewalt anerkannten Vrrfasfung ihrer Kirche, alle 
inneren Kirchenangelegenheiten /1) anzuordnen. 
Dahin gehören die Gegenstände: 
a. der Glaubenslehre, 5) 
b. der Form und Feier des Gottesdienstes, 6) 
IC. der geistlichen Amtsführung, 
d. des religiösen Volksunterrichts,?7) 
e. der Kirchendisziplin,) 
f. der Approbation und Ordination der Kirchendiener, '5) 
g. der Einweihung der zum Gottesdienste gewidmeten Gebäude und 
der Kirchhöfe, 
h. der Ausübung der Gerichtsbarkeit7) in rein geistlichen Sachen; 
nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions= und 
Kirchen-Pflichten einer Kirche, nach ihren Dogmen, symbolischen 
Büchern und darauf gegründeten Verfassung. · 
««)Diein§38aufgezählten,,innereuKirchcnangelegenheitcn«sindteils 
rein geistlicher Natur, teils beziehen sie sich auf innere Angelegenheiten der Kirchen— 
gesellschaft; zu den ersteren gehören die Gegenstände der Glaubenslehre, der 
Form und Feier des Gottesdienstes, des religiösen Volksunterrichtes und der Ein— 
weihung der zum Gottesdienste gewidmeten Gebäude und Kirchhöfe; alle anderen 
in § 38 aufgeführten Gegenstände betreffen die Ordnung innerer gesellschaftlicher 
Angelegenheiten. 
Die Aufzählung des § 38 ist eine erschöpfende; andere „innere Kirchen- 
angelegenheiten“ als die hier angeführten gibt es nicht. 
75) Siehe hiezu speziell die Bestimmung des § 42 I. c. 
Bezüglich der Glaubenslehre tritt jedoch die Beschränkung ein, daß dem 
Könige nach § 50 l. c. das oberste Aufsichtsrecht zusteht und daß derselbe daher 
nach § 57 I. c. berechtigt ist, von demjenigen, was in den Versammlungen der 
Kirchengesellschaften gelehrt und verhandelt wird, Kenntnis zu nehmen, ferner daß 
nach § 58 1. c. Gesetze, Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchen- 
gewalt ohne allerhöchste Einsicht und Genehmigung (das sogen. Plazet) nicht 
publiziert und vollzogen werden dürfen. S. auch 8§ 52—56 l. c., ferner Anm. 92 
1 § 58 Il. c. 
5 *'68) Jedoch kann nach § 55 lI. c. der Regent bei feierlichen Anlässen durch 
die geistlichen Behörden öffentliche Gebete und Dankfeste anordnen. Vergl. auch 
Art. XII lit. g des Konkordats. Weiter gehören nach § 76 Abs. 2 lit. a die 
Anordnungen über den äußeren Gottesdienst, dessen Ort, Zeit, Zahl rc. zu den. 
Gegenständen gemischter Natur. 
77) Ueber Religionsunterricht s. Art. V Abs. 4 und XII lit. e des Kon- 
kordats; ferner Näheres § 444 bei Volksschulunterricht und Lehrplänen; s. dort- 
selbst auch die einschlägigen Entscheidungen und Abhandlungen. 
7'8) Siehe hiezu Anm. 80 zu § 39 l. c. 
'sa) Vergl. Konkordat Art. XII lit. b. 
7°“) Vergl. hiezu § 15 Abs. 3 des Reichs-Ger.-Verf.-Ges.: „die Ausübung 
einer geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten ist ohne bürgerliche 
Wirkung.“ Dies gilt insbesondere bei Ehe= und Veriöbnissachen. Hiezu 8 76 
des Personenstandsgesetzes: „In streitigen Ehe= und Verlöbnissachen sind die bür- 
gerlichen Gerichte ausschließlich zuständig. Eine geistliche oder eine durch die Zu- 
gehörigkeit zu einem Glaubensbekenntnis bedingte Gerichtsbarkeit findet nicht statt.“ 
Vergl. hiezu auch Art. XII lit. c des Konkordats, ferner Anm. 93.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.