§ 90 a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 553
§ 84. 11)) Religionsverwandte einer öffentlich aufgenommenen
Kirche, welche keine eigene Gemeinde bilden, können sich zu einer ent-
fernten Gemeinde ihres Glaubens innerhalb der Grenzen des Reichs halten.
# § 85. Auch ist ihnen freigestellt, von dem Pfarrer oder Prediger
einer andern Konfession an ihrem Wohnorte jene Dienste und Amts-
funktionen nachzusuchen, welche sie mit ihren eigenen Religionsgrundsätzen
vereinbarlich glauben und jene nach ihren Religionsgrundsätzen leisten können.
8 86. In dergleichen Fällen sollen dem Pfarrer oder Geistlichen
der fremden Konfession für die geleisteten Dienste die festgesetzten Stol-
gebühren entrichtet werden. 17#)
§ 87. Diesen auf solche Art der Ortspfarrei einverleibten frem-
den Religionsverwandten darf jedoch nichts aufgelegt werden, was ihrem
Gewissen oder der jedem Staats-Einwohner garantierten Hausandacht
entgegen ist.
§ 88.11) Den Mitgliedern der öffentlich aufgenommenen Kirchen-
gesellschaften steht die Bildung einer eigenen Gemeinde aller Orten frei,
wenn sie das erforderliche Vermögen zum Unterhalt der Kirchendiener,
zu den Ausgaben für den Gottesdienst, dann zur Errichtung und Er-
haltung der nötigen Gebände besitzen, oder wenn sie die Mittel hiezu
auf gesetzlich gestattetem Wege aufzubringen vermögen. 120)
!!7) Die §§ 84—88 treffen Bestimmungen über die Verhältnisse der Reli-
gionsverwandten einer öffentl. aufgenommenen Kirche, welche keine eigene Ge-
meinde bilden. Unter den hier aufgezählten Rechten ist aber die Befugnis, so
oft sie wollen und die Kosten hiefür aufzubringen vermögen, in einem passenden Lokale
gemeinsame öffentliche Gottesdienste abzuhalten, nicht inbegriffen. Der § 88
behandelt nur das Recht, unter gewissen Voraussetzungen eine eigene Ge-
meinde bilden zu können. S. Min.-E. vom 27. April 1845 (Web. 3, 584).
'8) Hiezu s. die Verordn. vom 19. März 1812 „die Stolgebühren-Ent-
richtung an Pfarrer einer fremden Konfession betr.“ (Web. 1, 385 f., Reg.-Bl.
S. 537); ferner Min.-E. vom 24. November 1837 (Web. 1, 386 Anm.).
115) Zu § 88:
a. Min.-E. vom 23. April 1845;: „die Beschwerde in der Beeinträchtigung
der durch § 88 der 2. Verf.-Beilage bezüglich der Bildung neuer
protestantischer Kirchen= und Pfarrgemeinden gewährten Rechte betr.
(Web. 3, 578 f.);
b. allerh. Entschl. vom 27. April 1845: „Beschwerden über verfassungs-
widrige Beschränkung der Ausübung des protestantischen Gottesdienstes
betr.“ (Web. 1, 584 f.);
. Min.-E. vom 10. April 1846;: „die von den Mitgliedern der General-
synoden zu Ansbach und Bayreuth im Jahre 1844 vorgebrachten
Beschwerden (Web. 3, 605 bes. 606). Hiezu vergl. — bezüglich der
Errichtung von Filialgemeinden — die Min.-E. vom 13. Juli 1811
„die Behandlung der katholischen Pfarrei-Dismembrations-Gegenstände
betr.“ (Web. 3, 351), ferner § 76 lit. e der Verf.-Urk.; Art. XII lit. f
des Konkordats, § 35 Abs. 5 der Form.= Verordn. vom 17. Dezember
1825, desgl. Min.-E. vom 20. September 1810 (Web. 1, 337) und
vom 13. Dezember 1844 „die Behandlung der Pfarrpurifikationen betr.“
(Web. 3, 562 nebst den daselbst Anm. angeführten Vorschriften).
Siehe hiezu v. Seyd. 3, 521 Anm. 50 und 51.
120) Durch den § 23 des Landtagsabschiedes vom 28. Mai 1892 „die Ver-
hältnisse der Kirchengemeinden diesseits des Rheins betr.“ (Web. 21, 381) ist mit
Gesetzeskraft in provisorischer Weise bis zur Publikation eines in Aussicht stehen-
den Gesetzes über die Kirchengemeindeordnung folgendes bestimmt worden: