Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

558 8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 
§ 101. Kein Geistlicher kann gezwungen werden, das Begräbnis 
eines fremden Religionsverwandten nach den Feierlichkeiten seiner Kirche 
zu verrichten. 133) 131) 
§ 102. Wird derselbe darum ersucht, und er findet keinen Anstand, 
dem Begräbnisse beizuwohnen, so müssen ihm auch die dafür hergebrachten 
Gebühren entrichtet werden. 34) 
§ 103. Der Glocken auf den Kirchhöfen kann jede öffentlich auf- 
genommene Kirchengemeinde bei ihren Leichenfeierlichkeiten gegen Bezahlung 
der Gebühr sich bedienen. 35) 
§ 100 allgemein für alle Bestimmung getroffen, und zwar in der Art, daß „der 
im Orte befindliche als ein gemeinschaftlicher Begräbnisplatz für sämt- 
liche Einwohner dieses Ortes zu betrachten ist“: ohne Rücksicht auf deren Glaubens= 
bekenntnis. Und zwar tritt diese allgemeine Regel nicht bloß in dem an sich 
selbstverständlichen Fall ein, daß dieser Friedhof ein gemeindlicher ist, sondern auch 
für den, daß ein gemeindlicher nicht vorhanden und der betr. Kirchhof einer 
Religionsgesellschaft speziell gehört, bezw. in deren Eigentum sich be- 
findet. Und gerade ganz besonders für den letztern Fall ist die Bestimmung des 
# 100 gegeben. S. die nachstehende Anm. 132. 
!3,) Siehe hiezu die Plenar-Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 9. März 
1888 Bd. 9, 428: „Im allgemeinen schließt die Zuteilung von Religionsgenossen 
zu einem bestimmten kirchlichen Verbande ihrer Konfession auch das Recht zur 
Teilnahme an der Begräbnisstätte jenes kirchlichen Verbandes in sich.“ 
§ 100 der 2. Verf.-Beil. bezieht sich nur auf die Friedhöfe einer bestimmten 
Religionspartei. 
Als Begräbnisplatz des Ortes im Sinne der eben angeführten gesetzlichen 
Bestimmung ist diejenige Begräbnisstätte zu erachten, woselbst die Mitglieder des- 
jenigen kirchlichen Verbandes beerdigt zu werden pflegen, welchem der Friedhof gehört. 
Die Berechtigung eines Religionsteiles zu einem solchen Kirchhofe des 
anderen Religionsteiles wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß ersterer Religions- 
teil einer auswärtigen Gemeinde seiner Konfession zugeteilt ist, welche eine eigene 
Begräbnisstätte besitzt. 
Aeltere bezügliche örtliche Uebungszustände, welche den voraufgeführten 
Grundsätzen widersprechen, sind durch die in Rede stehende verfassungsgesetzliche 
Bestimmung außer Kraft gesetzt. — 
Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 24. Oktober 1884 Bd. 5, 313: „Das 
in § 100 der 2. Verf.-Beil. in Bezug auf konfessionelle Friedhöfe geregelte Simul- 
taneum ist von der Voraussetzung abhängig, daß ein an dem betr. Orte befind- 
licher Religionsteil keinen eigenen Friedhof besitzt, d. i. daß diesem Religionsteile 
ein Rechtsanspruch auf Benützung eines anderen Friedhofs nicht zusteht. 
Vergl. auch noch über die Kompetenz bezüglich der Streitigkeiten über Be- 
nützung von Kirchhöfen überhaupt: Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 1. Juli 
1892 RBd. 13, 543, mitgeteilt Bd. III § 377. 
1½8) Siehe hiezu Min.-E. vom 2. Dezember 1836: „die Befugnis der 
Pfarrer, alle anderen Pfarrer von jeder pfarrlichen Funktion in der ihnen anver- 
trauten Kirche auszuschließen"“ (Web. 3, 79 f.); ferner Min.-E. vom 23. Juni 
1840; „die Taufe eines kath. Kindes in Thurnau betr.“ (Web. 3, 343). 
1“) Zu §8 101 und 102 s. die Min.-E. vom 8. Mai 1850: „die Beer- 
digung von Katholiken auf protestantischen und von Protestanten auf katholischen 
Kirchhöfen“ (Web. 4, 114). 
Vergl. auch Min.-E. vom 19. Januar 1837 (Web. 4, 114 Anm.). 
155) Vergl. hiezu die oben in Anm. 128 genannte Min.-E. vom 13. Sep- 
tember 1843, ferner Min.-E. vom 8. August 1844 „Verweigerung des Grabge- 
läutes bei protestantischen Beerdigungen“ (Web. 3, 555). S. hiezu auch die bei 
 
	        
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