8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 4. Beilage. 561
Behörden gerichtet werden, Fürst und Herr, auch Graf und Herr, mit dem
Prädikate „Wir“, wogegen sich die Nachgebornen nur des Titels eines Fürsten
oder eines Grafen zu bedienen haben.)
8 3. Denselben wird ein ihrer Ebenbürtigkeit angemessenes Kanzlei—
Zeremoniel erteilt. In den Ausfertigungen der königlichen Stellen wird im Kon-
texte den Fürsten das Prädikat „der durchlauchtig hochgeborne Herr Fürst“;
und den Grafen „der hochgeborne Herr Graf“ gegeben werden. ') In ihren
Schriften, die entweder an den Souverän, an die königlichen Staatsministerien
oder an die übrigen höheren Landesstellen gerichtet sind, müssen sie nach dem
bis jetzt bestehenden Kanzlei-Zeremoniel sich achten.) ·
§4.JnallenStädten,MärktenuudDörfern,welchedenstandesherr-
lichen Häusern gehören, soll das Kirchengebet nach dem Souverän auch für das
Haupt des Hauses und für dessen Familie verrichtet werden.
Auf gleiche Weise wird hinsichtlich der Trauerfeierlichkeiten gestattet, daß
das Trauergeläute für den Herrn, seine Gemahlin und für seinen nächsten Nach-
folger drei Wochen, für einen Nachgebornen aber vierzehn Tage lang von dem
Leichenbegängnisse an beobachtet werde; daß die standesherrlichen Stellen und Be-
amten eine Trauer von sechs Wochen anlegen und daß alle öffentliche Lustbar-
keiten in den standesherrlichen Gebieten bis nach Beendigung der Exequien ein-
gestellt werden. )
§ 5. Den Standesherren steht für ihre Personen und für ihre Familien
die unbeschränkte Freiheit zu, in einem jeden zum deutschen Bunde gehörigen oder
mit demselben im Friedensstande befindlichen Staate ihren Aufenthalt zu wählen,)
und ebenso in die Dienste desselben zu treten. Diejenigen, welche sich entweder
2) Den Titel „Prinz“ dürfen die Nachgeborenen nicht führen (Min.-E. vom
5. Januar 1837, Web. 1, 615 Anm. 3).
:) Die Fürsten führen das Prädikat „Durchlaucht“ (Beschl. der Bundesvers.
vom 18. August 1825, Web. 1, 616 Anm. 4), die Grafen das Prädikat „Er-
laucht" (Verordn. vom 22. April 1829, Web. 2, 468). Siehe hiezu Min.-E. vom
9. Oktober 1835 „Titulaturen der Standesherren, Reichsräte, Erzbischöfe und
Bischöfe betr. (Web. 3, 36), ferner Min.-E. vom 5. November 1851 „die An-
wendung der Titulaturen der Standesherren betr.“ (Web. 4, 301 und die in der
Anm. daselbst angeführte Min.-E. vom 20. August 1821, welche anordnet, daß
bei Ausfertigung an einen Fürsten auf der Adresse das Prädikat „durchlauchtig
hochgeboren“, im Kontexte aber abwechselnd die Prädikate „der durchlauchtig hoch-
geborene Herr Fürst“ und „der Herr Fürst“ gebraucht werden sollen).
4) Siehe hiezu die Instruktion für sämtliche königliche administrative Lan-
desstellen und Justizkollegien vom 1. Januar 1806 „die Form ihrer Berichte
betr."“ (Web. 1, 111), oben § 37 S. 132 f.; ferner Min.-E. vom 6. April 1874
über die Vereinfachung des dienstlichen schriftlichen Verkehrs (Web. 10, 240), oben
§ 63 S. 313 Anm. 1.
5) Zu § 4 ist zu bemerken, daß die Standesherren, wenn sie Kirchen-
patrone sind, wohl die Ehrenrechte der letzteren ansprechen können, (s. hiezu § 48
der 4. und § 24 der 6. Verf.-Beil.), daß aber im übrigen die Ehrenrechte dieses
Paragraphen, besonders des Abs. II in Wegfall gekommen sind, da es einerseits
standesherrliche Beamten und Stellen im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung,
desgl. andrerseits „standesherrliche Gebiete“ nicht mehr gibt.
Siehe Anm. 7 zu § 24 der 6. Verf.-Beil., auch Anm. 19 zu Art. XI des
Konkordats und Anm. 23 zu § 19 des Protestanten-Ediktes.
*) Diese äfenthaktsfreiheit steht uunmehr auf Grund des Freizügigkeits-
gesetzes jedem Staats= bezw. Reichsangehörigen zu. Andrerseits sind die Standes-
Pohl, Handbuch. 1. 36