Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 15. Der Reichskanzler. 49 
A. Der Reichskanzler. 
B. Die unter ihm stehenden obersten Reichsbehörden: 
Verwaltungs= und Verwaltungsgerichtsbehörden, 
Finanzbehörden, 
Iustiz= oder Gerichtsbehörden, 
mInstizverwaltungs= und Disziplinarbehörden. 
S—½ 
§ 15. 
ad A. Der Reichskanzler. 
(Laband 1, 332 ff.) 
Der Reichskanzler ist — abgesehen vom Statthalter von Elsaß- 
Lothringen — der einzige Minister des Kaisers, welcher die volle 
Verantwortung für alle kaiserlichen Anordnungen und Verfügungen 
trägt und daher auch jede dieser Anordnungen und Verfügungen 
gegenzuzeichnen hat. (Art. 17 der Reichs-Verf.) Daneben ist aber 
der Reichskanzler auch dasjenige Organ, durch welches der König von 
Preußen seine Mitgliedsrechte im Bunde ausübt. Nach Art. 15 der 
Reichs-Verf. muß der Reichskanzler zugleich preußischer Bevoll- 
mächtigter im Bundesrate sein, da er ja den Vorsitz im Bundes- 
rate und die Leitung der Geschäfte desselben zu führen hat. In 
seiner Eigenschaft als Vorsitzender und als Mitglied des Bundes- 
rates ist selbstverständlich der Reichskanzler nicht Reichsbehörde oder 
Reichsbeamter. (Andrerseits ist es aber auch nicht notwendig, daß 
der Reichskanzler preußischer Beamter oder preuß. Staatsminister ist.) 
leber die Funktionen des Reichskanzlers als Reichsminister des 
Kaisers siehe Laband 1, S. 336—339. Als Hauptsatz für dieselben 
gilt, daß, — soweit nach der Verfassung die Befugnisse des Kaisers 
reichen —, der Reichskanzler als Gehilfe des Kaisers für ihn und 
in seinem Namen thätig zu sein legitimiert ist. 
Für Elsaß-Lothringen sind durch das Reichsgesetz vom 4. Juli 
1879 § 2 (Reichs-Ges.-Bl. S. 165, Web. 13, 71) die dem Reichs- 
kanzler in elsaß-lothringischen Landesteilen überwiesenen Befugnisse 
und Obliegenheiten auf den Statthalter übergegangen. 
Die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers nach Art. 17 der 
Reichs-Verf. bezieht sich selbstverständlich nur auf seine Thätigkeit als 
Reichsminister. Durch Reichsgesetz vom 17. März 1878 (R.-G.-Bl. 
Seite 7, Web. 12, 247; Bamb. 16, 1) ist auch die Stellvertretung 
des Reichskanzlers in seiner Stellung als Reichsminister geregelt. 
Nach demselben (§ 2) kann auch ein Stellvertreter allgemein für 
den gesamten Umfang der Geschäfte und Obliegenheiten des Reichs- 
kanzlers ernannt werden. Auch können für die einzelnen Amtszweige, 
welche sich in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung des Reiches 
befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler untergeordneten 
obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung desselben im ganzen 
Pohl, Handbuch. I. 4
	        
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