Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 7. Beilage. 583 
§ 34. Die Fideikommiß-Schulden haften entweder auf der Substanz und den 
Früchten des ganzen Fideikommisses zugleich oder nur auf den Früchten allein 
und werden hienach in Fideikommiß--Schulden I. oder II. Klasse abgeteilt. 
§ 55. Die Fideikommiß-Schulden I. Klasse gehen den Schulden II. Klasse 
vor; die Schulden jeder Klasse unter sich haben den Vorzug nach der Zeit ihrer 
Eintragung in die Fideikommiß-Matrikel. 
§ 56. Unter sdie Fideikommiß-Schulden I. Klasse werden diejenigen ge- 
rechnet, welche zum Nutzen des Fideikommisses selbst kontrahiert und verwendet 
wurden. 
Hieher gehören: 
1) diejenigen, welche bei der Errichtung des Fideikommisses auf dasselbe 
mit ausdrücklicher Bestimmung dieses Vorzugs angewiesen wurden, ins- 
besondere die Pflicht-Teile der Not-Erben des ersten Konstituenten, so- 
ferne sie nach Uebereinkunft der Interessenten als ein Kapital auf dem 
Fideikommisse liegen bleiben; 
2) diejenigen, welche zum Ankauf eines dem Fideikommisse einverleibten 
Gutes verwendet oder mit demselben übernommen wurden; 
3) die auf notwendige Prozeß-Kosten in Streitigkeiten, welche die Substanz 
des Fideikommisses betreffen und zur Erzielung gerichtlicher Vergleiche, 
zu deren Beendigung oder 
4) zur Abführung der in Rücksicht des Fideikommisses erlegten feindlichen 
Kontributionen, desgleichen 
5) auf Herstellung notwendiger oder 20) nützlicher Gebäude, endlich 
6) zur Abführung einer von den vorbenannten Schulden verwendet wurden. 
§ 57. Diese Schulden sollen vom Gerichte erst nach vorläufiger Unter- 
suchung, ob sie überhaupt und in dem verlangten Maße sich zu einer solchen 
Fideikommiß-Schuld eignen und in zweifelhaften Fällen nach Vernehmung der 
Anwärter in die Fideikommiß-Matrikel eingetragen werden. 
§ 58. Zu den Fideikommiß-Schulden II. Klasse werden außer den im 
§ 39 Nr. 2 bemerkten Schulden diejenigen gerechnet, welche das Gericht, den 
folgenden Bestimmungen gemäß, nach Vernehmung der Anwärter genehmigt hat. 
§59. Ein bestehendes Fideikommiß kann mit einer Fideikommiß-Schuld 
II. Klasse nur dann beschwert werden, wenn der Fideikommiß-Inhaber zur Be- 
streitung notwendiger und unvermeidlicher, die Substanz des Fideikommisses selbst 
nicht betreffender Ausgaben (§ 56) in Ermangelung hinreichenden Allodial-Ver- 
mögens einer Kapitals-Aufnahme bedarf, und wenn bei dem Fideikommisse außer 
dem erforderlichen Betrage des Grund-Vermögens (8 2) noch ein weiteres frucht- 
bringendes Vermögen (§8§ 5 und 6) vorhanden ist, dieser Ueberschuß auch nach 
Abzug aller darauf bereits haftenden Lasten und Schulden durch die neue Schuld 
nicht über ein Dritteil beschwert wird, vorbehaltlich dessen, was der Konstituent 
besonders verfügt hat. 
Dabei ist in Ansehung der unbeweglichen Güter nicht der Schätzungs-Preis, 
sondern das Stener-Kapital zur Richtschnur zu nehmen. 
§ 60. In die zur Aufnahme einer Fideikommiß-Schuld II. Klasse sich 
eignenden Ausgaben gehören die erweislich durch Krankheit, höhere Auslagen für 
Erziehung oder Versorgung mehrerer Kinder, Ausstattung der Töchter, Antritt 
eines Civil= oder Militär-Dienstes, eintretende Verehelichung, Unglücksfälle in 
der Oekonomie oder schwere Kriegs-Lasten verursachten außerordentlichen Kosten, 
welche weder aus den Früchten des Fideikommisses, noch aus dem Allodial-Ver- 
mögen bestritten werden können. 
  
*.) Siehe hiezu Web. 1, 659 Anm. 19 (bezüglich der Lesart „und“ statt 
„oder“ in der amtlichen Oktav-Ausgabe der Verf.-Urk.).
	        
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